|
Martin Klauss vom RUNDEN TISCH mit einem Redebeitrag
"Hartz IV - eine einzige Erfolgsgeschichte!"
Ich möchte - als Beitrag des 'RUNDEN TISCHES zu den Auswirkungen der Hartz-Gesetze in Freiburg' auch mal etwas Positives zum Thema beitragen - an einem Tag, an dem viel geschimpft und kritisiert und viel Negatives aufgetischt wird.
die Agenda 2010, so stellte er fest (und damit natürlich in erster Linie das Herzstück dieser Agenda "Hartz IV") ist ein großer Erfolg. Ein solch großer Erfolg, dass man ganz dringend und umgehend die Agenda 2020 auflegen und baldmöglichst umsetzen müsse.
Horst K. aus Berlin ist nicht irgendwer. Er weiß, wovon er redet.
Schließlich hat er selbst einen 1-Euro / Pardon: einen ¼ - Millionen-Euro-Job verpasst bekommen. Einen Job, der perfekt alle Anforderungen an derartige 1- oder 2- oder ¼ Millionen Euro- Jobs erfüllt:
Er weiß, wovon er redet, er kennt sich aus mit Armut, der Herr Horst K. aus Berlin, steckte er doch zuvor auch in einer Art von Arbeitsgelegenheit mit (allerdings durchaus üppiger) Mehraufwandsentschädigung, auch einer Art 1-Euro / Pardon: ¼ - Millionen Euro-Job; bei der Arge übrigens...
Nicht bei der Arge in Freiburg, oder Hamburg oder Hinterdudelhausen. Seine Arge hieß anders, die ist nicht zuständig für ein paar läppische tausend Arme in einer Stadt, ihre Dimensionen rechnen sich in vielen Millionen, die durch ihre Auflagen in immer tieferes Elend gestürzt wurden.
Wer besser, als der Mitverantwortliche für millionenfache Verarmung weltweit durch die Auflagen des IWF könnte die Auswirkungen der Armutsbekämpfungspolitik in Deutschland beurteilen (so heißt es offiziell von Hartz IV, es sei das Instrument zur Armutsbekämpfung), wer könnte besser als er beurteilen, wie überaus erfolgreich diese Politik in unserem Land gewirkt hat und wirkt! Nicht, dass Sie mich falsch verstehen: Auch dort beim IWF, war er erfolgreich, der Herr K. aus Berlin: Die Rückzahlungen der armen Länder an die Kreditgeber, an die internationalen Schuldeneintreiber fließen besser, mit den Dollars, die durch steigende Preise für Brot und Gas und Wasser und Medikamente und, und, und aus den Armen herausgepresst werden für den sogenannten Schuldendienst. Ein Erfolg. In der Tat! Wer das Gefühl bekommt, die deutschen Argen könnten dieser weltweiten Arge abgeschaut, nachgebaut sein, bei all dem Druck, mit dem sie hier bei uns Armut, und vor allem die Armen bekämpfen, dem möchte ich nicht leichtfertig widersprechen: manches Mal stimmen solche Gefühle vielleicht... Egal wie, der Herr Horst K. aus Berlin hat Recht: Hartz IV ist ein großer Erfolg. Erfolge erkennt man meist daran, dass etwas neues entsteht, was es vorher nicht gab, dass etwas zunimmt, dass etwas wächst. Wachstum ist ein wesentlicher Indikator für Erfolg: Unter den Einzelhandelsketten Deutschlands gibt es eine, deren Umsatzsteigerungsraten seit 2005 deutlich an der Spitze liegen, weit vor Aldi, Lidl und Edeka, neue Filialen sprießen geradezu aus dem Boden, die Preise sind unschlagbar billig, und zeitweise kommt der Verkehr beinahe zum Erliegen, weil die Kundenschlangen fast bis über die Fahrbahnen für die Autos reichen. Nicht weit von hier, ein Kilometer östlich, befindet sich ein Freiburger Ableger dieser erfolgreichen Kette: die Freiburger Tafel, eine Einrichtung mit großer Hilfsbereitschaft und enormen Wachstumsraten und Schlangen bis auf die Straße. Ein echter Erfolg von Hartz IV! Auch unter den beschäftigungsintensiven Wachstumsbranchen gibt es einen neuen Star seit gut drei Jahren: 500.000 neue Beschäftigte in kurzer Zeit, ganz aus dem Nichts! Unschlagbar konkurrenzfähig und ein riesiger Erfolg, denn 500.000 Arbeitslose weniger, fast auf einmal, wenn das kein Erfolg ist?
Und - Das ist natürlich längst nicht alles:
Die Finanzspekulationen wachsen, die Konzerngewinne,
und es wächst die Zahl derer, die um ihre Wohnung kämpfen müssen.
Und Millionen Kinder gehen hungrig zur Schule und kommen dort auch letztendlich nicht weit.
Überhaupt gibt es keine anderen gesellschaftlichen Entwicklungen wie die Steigerungsraten bei den Armen und besonders der Kinder, die diese Gesellschaft in Armut geschickt hat, und ihnen kaum Chancen gibt, wieder herauszufinden.
Und noch ein Erfolg von Hartz IV: die Menschen sind bescheidener geworden.
Herr K. aus Berlin hat recht: Hartz IV ist eine einzige Erfolgsgeschichte.
Denn: was ein Erfolg ist, ist immer eine Frage des Standpunktes, eine Frage der Sichtweise.
Wenn der sprichwörtliche Räuber den einsamen Wanderer überfällt, und der auch gerade von der Bank kommt, und einen Batzen Geld in der Tasche dabei hat, wer wollte da abstreiten, dass der Räuber einen erfreulichen Erfolg zu verbuchen hatte? Aus seiner Sicht eben; aber zweifelsohne einen Erfolg.
Fragen über Fragen. Eines ist klar: wer bei uns von Hartz IV und all den anderen Gesetzen dieser Art, von Steuergeschenken und vielfältigen Benachteiligungen der Menschen unten profitiert, heißt bei uns nicht Räuber - er nimmt sich den Reichtum ja nicht selbst - auch nicht Hehler - für die Weitergabe des Reichtums sorgen bei uns ganz ordnungsgemäß die Behörden
die Profiteure heißen bei uns:
Dann gibt es da neben dem Herrn K. noch eine Frau M., auch mit Wohnsitz in Berlin. Auch sie lässt oft Leserbriefe los ans Volk. Manches Mal liest sie auch daraus vor, oft sogar im Fernsehen.
Sie hat einen Lieblingsspruch drauf (wie viele übrigens, die eigentlich nicht viel Vernünftiges zu sagen haben), einen Satz, ganz einfach, verständlich, mit nicht allzu viel Niveau, dafür ohne Verb und Adverb und Adjektiv und Person und sonstigem grammatikalischen Unfug: Ihr Lieblingsspruch lautet, und sie erzählt ihn ungefragt und immer wieder:
Hauptsache Arbeitsplätze! Hauptsache Arbeitsplätze!
Wer genau hinhört in dem ganzen Geschrei und Rufen nach all diesen Millionen von Arbeitsplätzen, der hört einen Grundton, eine Art Gemurmel unter all dem aufgeregt Lauten, der hört, immer klarer, wenn er wirklich hinzuhören bereit ist die Grundbotschaft, auf der alles aufgebaut wird, der alles untergeordnet ist, die Grundbotschaft, auf der sie stehen, wenn sie vom endgültigen Abbau der Arbeitslosigkeit reden und reden und reden...
Das ist die Lösung, die elegante Lösung, das ist der ultimative Erfolg, der spätestens mit der Agenda 2020 erreicht werden soll.
Ihr Motto schon heute:
Zum Schluss - wegen der Ausgewogenheit - Noch ein Wort an die Genossinnen und Genossen der SPD, es gibt ja da auch einige ganz fitte, auch verlässliche, einige, die mitleiden an all dem, was die SPD gerade in den letzten Jahren zu verantworten hat. Es hat etwas Tragisches mit dieser Partei, und deshalb sollten wir sie vielleicht umbenennen in SPD: die Sisyphus - Partei Deutschland, oder genauer noch: USPD, die "Partei des umgekehrten Sisyphus - Prinzips für Deutschland"... Sisyphus. Sie kennen diesen alten Griechen, der immer wieder den sprichwörtlich schweren Stein den Berg hinaufrollte, und dann rollte er einfach wieder hinunter, damit ihn der Sisyphus wieder hinaufrollen durfte. Wieder und wieder und wieder... So ähnlich macht es die SPD, nur irgendwie umgekehrt: Da liegt der schwere Stein am Anfang oben. Dann treten sie ihn los, die Genossen, laufen ganz schnell nach unten; und dort, wo aus dem Stein eine ganze Steinlawine geworden ist, stellen sie sich auf neben der Lawine mit einem Schild in der Hand. Darauf steht: Stop! oder "anhalten" oder "bis hierhin und nicht weiter!" Das war schon so, als die Genossinnen und Genossen den Kriegseinsätzen in Afghanistan und sonst wo zustimmten und dann die Schilder malten mit "macht endlich Frieden!" oder als sie die Reichen im Land und die Konzerne mit Steuergeschenken überhäuften und damit die öffentlichen Schulden ins Uferlose hochtrieben und jetzt ein Schild hochhalten mit der Aufschrift: Wir alle müssen sparen und Schulden zurückzahlen!
Und als sie Hartz IV durchsetzten - mit Regelsätzen weit unterhalb der von Ihnen selbst im Prinzip akzeptierten Armutsgrenze - traten sie den Stein los, auf dem steht "Niedriglohnsektor", oder klarer noch: Hungerlöhne, nicht zufällig, sondern weil genau dies gewünscht war von denen, die Erfolge sehen wollten in ihrem Sinne:
Jetzt wo es so aussieht, als ob sich die Lawine der Hungerlöhne nicht mehr aufhalten ließe, stellen sie ein Schild auf neben der Lawine, die Genossinnen und Genossen, darauf steht:
Wäre es nicht ein klein bisschen schlauer gewesen, die Lawine erst gar nicht loszutreten? Nur, dann könnten wir eben heute nicht diese Erfolg feiern - Erfolge für die Profiteure dieser Hartz-Gesetze...
Hartz IV ist ein Erfolg. Ganz gewiss.
Denn: Alle Menschen haben das Recht auf ein menschenwürdiges, auf ein gutes Leben.
Zurück zur Übersichtsseite 'Redebeiträge' Zurück zur HAUPTSEITE
|