MONTAGS-DEMO FREIBURG
Redebeitrag vom 12.05.08

Diäten-Erhöhung mit Vernebelungsversuch

Verdächtig fix einigten sich die "schwarzen" und "roten" Koalitionäre im Berliner Reichstag auf eine Diäten-Erhöhung. Und während sonst mit inszenierten und monatelang andauernden Streitigkeiten das jeweilige Profil von stromlienienförmig auf markant getrimmt wird, erhöhten sie ihre eigenen Bezüge in völligem Einvernehmen. Ab nächstem Jahr sollen die 612 Bundestagsabgeordneten 7.946 Euro im Monat verdienen.

Auf Grafiken, die in vielen Druck- und online-Zeitungen veröffentlicht wurden, ist die Kurve der verschiedenen Diätenerhöhungen über die Jahre hin und sind die geplanten Erhöhungen im Überblick zu sehen. Dort ist - in der Regel - auch zu erkennen, daß die Diäten zum 1. Januar 2009 von 7.339 auf auf 7.946 Euro steigen sollen.

"Schwarz-Rot" will die zuletzt per Beschluß vom November 2007 angehobenen Diäten angeblich um 6 Prozent erhöhen. Wer jetzt anhand der Grafik denkt, da muß ich doch mal zum Taschenrechner greifen, hat recht: Bei den angegebenen 6 Prozent, die sich zudem auf zwei Jahre verteilen sollen, handelt es sich um einen Vernebelungsversuch.

Tatsächlich war bereits der letzte Beschluß zur Diäten-Erhöhung zweistufig. Zum 1. Januar 2008 wurden die Diäten von 7.009 Euro um 4,7 Prozent auf 7.339 Euro aufgestockt. Und in einem Aufwasch wurde damals gleich die nächste Erhöhung auf 7.668 Euro zum 1. Januar 2009 mit beschlossen. Von diesen 7.668 Euro soll nun - ebenfalls zum 1. Januar 2009 - um 3,6 Prozent auf 7.946 Euro erhöht werden. Und die nächste Erhöhung zum 1. Januar 2010 um 2,7 Prozent auf 8.159 Euro wird wiederum in einem Aufwasch beschlossen. Die 3,6 Prozent zusammen mit den 2,7 Prozent ergeben angeblich zusammen 6 Prozent. (Wer rechnen kann, kommt auf rund 6,4 Prozent - aber das ist nebensächlich.) Hinter all diesem Nebel sollen die Diäten real also zum 1. Januar 2009 von 7.339 auf 7.946 Euro erhöht werden. Dies ist ein Plus von 8,3 Prozent in 12 Monaten.

"Schwarz-Rot" begründet diese dreiste Anhebung mit den Lohnsteigerungen im öffentlichen Dienst: Die Erhöhungsstufen des jüngst vereinbarten Tarifabschlusses sollen gnädiger Weise erst mit jeweils einjähriger Verspätung auf die Abgeordneten übertragen werden. Die ParlamentarierInnen hoffen anscheinend auf die Vergeßlichkeit des Publikums. Denn bei ihrem letzten Coup im November 2007 bemühten sie noch den Vergleich mit Bundesrichtern, an deren Gehaltsniveau die Diäten angepaßt werden müßten.

Der Speyerer Verwaltungswissenschaftler Hans Herbert von Arnim kritisiert, daß sich "nur eine große Koalition" eine solche Diäten-Erhöhung in drei Schritten leisten könne. Die Opposition habe zwar gegen die im November vergangenen Jahres beschlossene Diäten-Erhöhung mit einem Plus von 9,4 Prozent in zwei Schritten protestiert, aber letztlich nicht wirklich dagegengehalten.

Die "Linkspartei" lehnt auch dieses Mal die Diäten-Erhöhung ab und prangert die "Raffgier" der "schwarz-roten" Koalition an. Und die Co-Chefin der Pseudo-Grünen, Claudia Roth, erklärte: "Die Koalition kann sich auf nichts einigen, außer es geht ums das eigene Portemonnaie." FDP-Fraktionsgeschäftsführer Jörg van Essen kündigte an, daß seine Partei erneut einen Systemwechsel bei der Abgeordnetenversorgung im Bundestag beantragen wird. Die FDP will eine unabhängige Kommission beim Bundespräsidenten über die Diäten entscheiden lassen.

Der Präsident des Bundes der Steuerzahler, Karl-Heinz Däke, bezeichnete die geplante Diätenerhöhung als "schlichte Unverschämtheit". Es seien ja tatsächlich 16,4 Prozent, die die Abgeordneten ihre Diäten zwischen 2007 und 2010 erhöhen wollten. "Und es wirkt sich vor allen Dingen auch noch auf die Altersversorgung aus." Diese steige für einen Abgeordneten, der acht Jahre im Bundestag ist, von 1.432 Euro auf 1.632 Euro.

Bei der Diskussion um die Höhe einer gerechten Bezahlung wird oft vergessen, daß auch die Altersbezüge der Abgeordneten ziemlich üppig ausfallen: Im vergangenen November hatten die Parlamentarier zwar beschlossen, daß ihr Ruhegeld künftig für jedes Mitgliedsjahr "nur" noch um 2,5 Prozent statt bis dato drei Prozent der Diäten steigt. Auch erhöht sich die Altersgrenze wie in der gesetzlichen Rentenversicherung schrittweise auf 67 Jahre. Dafür erwerben die Abgeordneten Ansprüche auf die sogenannte Altersentschädigung künftig vom ersten Jahr ihrer Mitgliedschaft im Parlament an. Bisher mußte ein Abgeordneter noch zwei Legislaturperioden absolviert haben, um später in den Genuß der Altersentschädigung zu gelangen.

Unterm Strich kommen die Volksvertreter damit gut weg: Abgeordnete, die sich zwei Legislaturperioden im Bundestag halten können, beziehen dafür im Alter rund 1600 Euro im Monat - mehr als ein Durchschnittsverdiener nach lebenslanger Arbeit erhält.

Hohe Altersbezüge sind jedoch nicht das einzige Privileg, das Abgeordnete genießen. Zusätzlich zu ihren Diäten erhalten sie eine monatliche Kostenpauschale von fast 3.800 Euro. Offiziell sollen sie damit Miete und Inventar für ihr Wahlkreisbüro bezahlen und andere "mandatsbedingte Aufwendungen" wie Büromaterial und Telefonkosten begleichen. Wofür sie die Pauschale tatsächlich ausgeben, müssen die Abgeordneten aber niemandem offenlegen.

Nicht zuletzt erhalten "unsere" Bundestagsabgeordneten zusätzliche Bezüge für bestimmte Funktionen im Parlament (beispielsweise den Fraktionsvorsitz) und haben das Recht, auf Kosten des Bundestags bis zu 13.660 Euro im Monat für die Gehälter ihrer Mitarbeiter auszugeben. Darüber hinaus dürfen die Parlamentarier Dienstfahrzeuge im Umkreis der Hauptstadt benutzen, sie bekommen eine Bahn-Freifahrtkarte für die 1. Klasse sowie - bei mandatsbedingten Reisen - die Inlandsflugkosten ersetzt. Außerdem hat jeder Abgeordnete Anspruch auf ein Büro in Berlin mit einer Größe von 54 Quadratmetern.

Juristisch abgesichert sind die Diäten durch Artikel 48 des Grundgesetzes. Dieser räumt den Abgeordneten "eine angemessene, ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung sowie ein entsprechendes Ruhegehalt" ein. Das Nähere soll das Abgeordnetengesetz regeln, sprich: die Abgeordneten selbst.

 

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