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Sozialabbau
Milliarden Euro für die Pharma-Industrie Wie ich schon in mehreren Redebeiträgen aufgezeigt habe, dient die "Gesundheitsreform" nicht etwa dem Zweck, die Lage für Kranke und Verletzte - also jene, die heute so hübsch als "KundInnen" des Gesundheitssystems bezeichnet werden zu verbessern - dies wird ja mit dem traditionell positiv besetzten Begriff Reform suggeriert - sondern dazu, die bereits exorbitanten Profite der Pharma-Konzerne zu steigern. Und dies ist im Zeitalter der Globalisierung - die internationalen Märkte sind abgesteckt und die Produktion kann daher durch Markausweitung nicht mehr gesteigert werden - ganz einfach durch den Griff in die Taschen der kleinen Leute möglich. Nun scheint die Zeit der "schwarz-roten" Koalition bereits abgelaufen zu sein, denn vor den auf 2009 angesetzten Bundestagswahlen wollen sich die etablierten Parteien offenbar keinen weiteren Raubzug auf Kosten der BeitragzahlerInnen leisten. Dies ist der Hauptgrund, warum zur Zeit von PolitikerInnen verschiedener Couleur Nebelwerfer eingesetzt werden: Sie versuchen mit den seltsamsten Argumentationen die "Gesundheitsreform" zu stoppen - jedoch nur, um sie nach der Bundestagswahl um so frecher zu Ende führen zu können. So kommen PolitikerInnen aus Ba-Wü und Bayern nun mit der Kritik daher, der von "Gesundheits"-Ministerin Ulla Schmidt bisher erst skizzenhaft ausgearbeitete Gesundheitsfonds würde die reichen Süd-Bundesländer benachteiligen. Offen drohen Günther Oettinger und Erwin Huber mit der Blockade im Bundesrat. Und die rheinland-pfälzische CDU spricht sich sogar für den Verzicht auf den Gesundheitsfonds aus. Der Gesundheitsfonds soll laut derzeitiger Planung als zentraler Baustein der "Gesundheitsreform" zum 1. Januar 2009 eingeführt werden. Er soll als gemeinsame Kasse alle Krankenkassenbeiträge sammeln. Für diesen Herbst ist geplant, erstmals einen bundesweit einheitlichen Beitragssatz für alle Krankenkassen einzuführen. Wozu dann noch eine Vielzahl von verschiedenen Krankenkassen nötig sein soll, bleibt dabei eine unbeantwortbare Frage. Weiter sollen dann die Krankenkassen aus dem Gesundheitsfonds Zuweisungen bekommen, um die ihnen über ihre Versicherten zugeteilten Kosten des Gesundheitssystems zu bezahlen. Auch an dieser Stelle der in vielen Medien wiedergegebenen Darstellung wird ausgeblendet, wohin die Gelder letztlich fließen - und welches Empfänger-Segment seit Jahren allein bedeutende Zuwächse zu verzeichnen hat. Wie die Gelder auf die Krankenkassen verteilt werden sollen, ist selbstverständlich umstritten. Fest steht anscheinend nur, daß Krankenkassen mit höherer Mitgliederzahl auch höhere Zuweisungen erhalten. Oettinger und Huber argumentieren nun damit, daß sie befürchten, Krankenkassen mit Sitz in ihren Bundesländern müßten mehr in den Gesundheitsfonds einzahlen als sie zurückbekämen. Tatsächlich hat ein solches System nur einen Sinn, wenn die Gelder in irgendeiner Weise umverteilt werden - sonst wäre der bürokratische Aufwand unnötig. Der 'spiegel' berichtete dieser Tage, daß Ulla Schmidt den Forderungen aus Ba-Wü und Bayern entgegenkommen wolle. Demnach soll bei Pleiten von Krankenkassen nicht mehr - wie bislang in der "Gesundheitsreform" vorgesehen - die betreffenden Bundesländer in Haft genommen werden. In der geplanten Insolvenzregelung werde auf eine Haftung der Bundesländer verzichtet, bestätigte mittlerweile Klaus Vater, Sprecher des "Gesundheits"-Ministeriums.
Damit ist nun erstmals eine im Grunde selbstverständliche Konsequenz dieser Privatisierung im Gesundheitssystem in die öffentliche Diskussion geraten - die Möglichkeit, daß eine Krankenkasse pleite geht.
Nun wurden bereits in der vergangen Woche "ExpertInnen" in den Medien zitiert, die kundtaten, die "Gesundheitsreform" ließe sich in der vorgesehenen Form nicht bis 2009 realisieren. Die Problematik im Falle der Insolvenz interessierte diese "ExpertInnen" dabei keineswegs. Es ging hier lediglich um die Umverteilungswirkung des Gesundheitsfonds. Bei einem Entwurf für ein Gutachten zu dieser Umverteilungswirkung müssen allerdings groteske Zahlen herausgekommen sein. Die 55 Seiten starke Expertise stammt von den "Gesundheitsökonomen" Jürgen Wasem, Florian Buchner und Eberhard Wille, wie 'Welt online' berichtete. Die von der CSU durchgesetzte "Konvergenzklausel", wonach der Finanztransfer zwischen den Bundesländern begrenzt werden soll, würde nach Auffassung der Gutachter zu einer "grotesken Unterfinanzierung" führen und sei unter "Effizienzgesichtspunkten" nicht sinnvoll. Der Teil in der Gesundheitsreform, mit dem die Umverteilung des Fonds begrenzt werden soll, sei "keiner sinnvollen Interpretation zugänglich", heißt es in dem von der Bundesregierung in Auftrag gegebenen Gutachten. Und weiter: "Der Versuch einer wörtlichen Umsetzung würde zu einer grotesken Unterfinanzierung der gesamten gesetzlichen Krankenversicherung führen." Nach Auffassung der Gutachter kann also die Konvergenzklausel nicht sinnvoll umgesetzt werden. Würde sie angewendet, würden Krankenkassen mit besonders geringen Beitragssätzen Geld an Kassen mit hohen Beitragssätzen zahlen. "Dies scheint auch unter Effizienzgesichtspunkten nicht angezeigt", heißt es in dem Gutachtenentwurf. Das Bundesgesundheitsministerium hatte den Entwurf für das Gutachten bereits in der vergangenen Woche bekommen, bislang aber nicht veröffentlicht. Ein Sprecher sagte 'Welt online', das Gutachten sei "sachlich ergänzungsbedürftig" und werde von den Autoren noch überarbeitet. Es werde in dieser Woche vorliegen. Mittlerweile eröffnet ein Teil der ÄrztInnenschaft eine neue Front durch einen Angriff auf die Krankenkassen. Auch hierbei bleibt die Pharma-Industrie der lachende Dritte. Der Verband 'Freie Ärzteschaft' fordert einen "radikalen Bürokratieabbau". Laut dessen Vorsitzenden Martin Grauduszus könne die Zahl der MitarbeiterInnen bei den Krankenkassen von 160.000 auf 60.000 gesenkt werden. Zugleich fordert er den Erhalt der wohnortsnahen haus- und fachärztlichen Versorgung. Grauduszus kritisierte, bei den Krankenkassen sowie bei den Kassenärztlichen Vereinigungen würden Milliarden Euro verschleudert, während die niedergelassenen ÄrztInnen wirtschaftlich ausgehungert würden. Von der Tendenz ist Grauduszus bei seinem Hinweis auf dieses Ungleichgewicht durchaus zuzustimmen - da jedoch eine Kritik an den eigentlichen Gewinnern des gegenwärtigen Gesundheitssystems zwangsläufig zu einer antikapitalistischen Position führt, verdrängt Grauduszus jeglichen Gedanken an eine solche Kritik. Wer sich selbst immer noch als Teil der Oberschichten wahrnimmt, ist dazu verdammt, solange blind zu sein, bis ein böses Erwachen unvermeidlich wird. Auch die "Linkspartei" geht bislang in ihrer Kritik an der "Gesundheitsreform" am zentralen Punkt vorbei. Der gesundheitspolitische Sprecher ihrer Fraktion im Bundestag, Frank Spieth, hebt sogar ein positives Merkmal der "Gesundheitsreform" hervor: In konsequent staatssozialistischer Tradition fordert er, die "Vereinheitlichung der Krankenversicherungsbeiträge" sei "das einzige Element am Gesundheitsfonds, das ohne Wenn und Aber von der Bundesregierung verfolgt werden" müsse. Wer so argumentiert, trägt zur Durchsetzung der "Gesundheitsreform" bei, und verspielt letztendlich auch das "Linsengericht": Die Beitragsgleichheit, die im Gesamtkontext der "Gesundheitsreform" allenfalls als Schönheitspflästerchen dient, wird am Ende sicherlich wieder einkassiert. Im Zweifelsfall erweist sich die "Linkspartei" - wie am Beispiel der Koalitionen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern zur Genüge bewiesen wurde - eher als staatstragend, denn als Sand im Getriebe. Der vermeintlich konstruktive Bezug auf die "Gesundheitsreform" des gesundheitspolitischen Sprechers Frank Spieth verwiest zugleich den früheren Ansatz der Linkspartei, die Einführung einer solidarischen BürgerInnen-Versicherung zu fordern, ins Reich der Partei-Programmatik - also ins Reich der Märchen. Es wird immer wieder behauptet, die Finanzwirtschaft sei von der "Realwirtschaft" längst abgehoben - dies wird mit Pseudo-Beweisen unterfüttert, wonach zweistellige Profitraten nie und nimmer im produktiven Sektor der Wirtschaft realisiert werden könnten. Solche Argumente kommen von Leuten, die keine Ahnung haben oder bewußt Täuschung betreiben wollen. Denn wer vom "Raubtierkapitalismus", vom "Finanzkapital" oder von "Heuschrecken" spricht, erweist sich bei näherer Betrachtung nicht selten als neo-sozialdemokratisch und keineswegs antikapitalistisch. Leider ist allzu wenigen bekannt, daß die Rüstungs-Industrie durchaus zweistellige Profitraten zu verzeichnen hat - nicht selten mit einer Zwei als erster Ziffer - und die Pharma-Industrie verzeichnet nicht selten Profitraten von über 30 Prozent. Doch Linke schauen leider selten auf die Wirtschaftseiten der Zeitungen. Dort würden sie beispielsweise die unverblümte Nachricht lesen: "Keinen Grund zu klagen hat die Pharmaindustrie. 30-prozentige Wachstumsraten künden bei den Arzneimittelherstellern von wirtschaftlichen Erfolgen in geradezu fernöstlichen Dimensionen." Selbstverständlich sind die Wachstumsraten nicht mit den Profiten zu verwechseln. Aber sie lassen Rückschlüsse auf die realen Profite zu, die wiederum nicht mit den offiziell verlautbarten Gewinnen verwechselt werden sollten. Bei den Zuwächsen, die bei der Pharmaindustrie zu verzeichnen sind, ist es kein Wunder daß diese mit jährliche Kostensteigerungen im Gesundheitssystem zwischen 10 und 20 Prozent gegenfinanziert werden müssen. Daß die Kostensteigerungen nicht noch höher ausfallen liegt daran, daß fast sämtliche anderen Kostensegmente reale Einbußen zu verzeichnen haben. Zwischen 25 und 28 Milliarden EUro fließen jährlich aus den Kassen des deutschen Gesundheitssystems an die Pharma-Konzerne. Dieses Kosten-Segment liegt inzwischen um über 20 Prozent über dem, was insgesamt für ÄrztInnen ausgegeben wird.
Die Veränderungen in den übrigen sieben von insgesamt acht Kosten-Segmenten lagen sämtlich in einem Bereich unterhalb - und nicht selten deutlich unterhalb - der Inflationsrate. So im Kosten-Segment
Vor zwei Jahren noch hat es geheißen, bei der "Gesundheitsreform" gehe es um Einsparungen in der Größenordnung von rund 5 Milliarden Euro jährlich - also Gelder, die aus dem Gesundheitssystem in die Kassen der Pharma-Konzerne umgeleitet werden sollen. In den vergangenen Wochen ist bekannt geworden, in wie weit LobbyistInnen der Konzerne als MitarbeiterInnen in Ministerien direkt an der Ausarbeitung der Vorgaben aus der Wirtschaft beteiligt waren. Doch dabei wurde nur die Spitze des Eisberges sichtbar. Schon seit Jahrzehnten sorgt das Kapital mit seiner "politischen Landschaftspflege" dafür, daß die Gesetzgebung in seinem Sinne funktioniert. Ein Beispiel dafür, wie diese politsche Steuerung der Parteien auch zu Entwicklungen führt, die völlig der Theorie eines freien Marktes zuwiderlaufen, läßt sich am Beispiel der Pharma-Industrie aufzeigen. So ist es der Pharma-Industrie in Deutschland über Jahre hin gelungen, Billig-Konkurrenten mit Generika-Medikamenten vom Markt fernzuhalten. Generika sind Nachahmerprodukte mit gleicher Zusammensetzung an Wirkstoffen mit gleicher Wirksamkeit bei billigeren Preisen. Eine gewisse Wut "unserer" Pharma-Konzerne ist also verständlich. Schließlich haben sie die teuren Entwicklungskosten neuer Präparate am Hals, von denen andere dann - nach Ablauf des Patent-Schutzes - profitieren. Doch die Konzerne mit ihrer Profitgier sind an dieser Entwicklung selbst schuld. Pseudodebatten durch Pharmalobbyisten prägen daher die angedachte Arzneimittelpolitik der "schwarz-roten" Bundesregierung. Der Verband Pro Generika kritisiert, dies führe zu Fehleinschätzungen und falschen politischen Reaktionen. Er nennt das Arzneimittelverordnungs-Wirtschaftlichkeitsgesetz (AVWG). Mit diesem ersten gesundheitspolitischen Gesetz der Großen Koalition werden die Kostensenker bestraft, während die Kostentreiber ungeschoren davon kommen. Der Verband Pro Generika nannte es peinlich. Doch was ist auch von einem Lobbyisten wie Volker Kauder anderes zu erwarten als solche Behauptungen wie die, Generika seien zu teuer. Tatsächlich bewegen sich die Generikapreise in Deutschland nachweislich im europäischen Durchschnitt. Allein 2005 haben die gesetzlichen Krankenkassen 3,4 Milliarden Euro gespart, weil statt teurerer Erstanbieterpräparate die wirkstoffgleichen preisgünstigeren Generika verordnet worden sind. Verschenkt worden seien hingegen rund 1,1 Milliarden Euro, bei denen die teureren Erstanbieterpräparat zum Zuge kamen. Ein Blick auf die Entwicklung der GKV-Arzneimittelausgaben belegt ganz eindeutig, wer für die extremen Ausgabensteigerungen bei Medikamenten verantwortlich ist. Während der Generika-Markt seit Jahren lediglich im Bereich um 2 Prozent wächst, steigen die Ausgaben im Nicht-Generika-Markt um jährlich zwischen 15 und 20 Prozent. Die mit dem AVWG eingeführten "Steuerungsinstrumente" sind deshalb weitgehend ungeeignet, die Ausgabendynamik zu bremsen. Generika sind hingegen in der Schweiz stark gefragt. Die Umsätze mit Nachahmermedikamenten gemäß IMS Health steigt dort mit zweistelligen Zuwachsraten. Wenn also eine Gesundheitsreform sinnvoll - also im Sinne der BeitragszahlerInnen vorteilhaft - sein sollte, müßte sie zunächst die Ausgaben-Seite in Angriff nehmen - und erst in zweiter Linie die Einnahmen-Seite. In diesem Zusammenhang wurde zurecht die Frage gestellt: "Wo gibt es denn das, daß zuerst der Reifen aufgeblasen wird, bevor die Löcher gestopft werden?" Die Antwort ist klar: In Deutschland - solange das Wirtschaftssystem ein kapitalistisches ist.
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