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Sozialabbau und Strompreise
Nach der ersten Welle der Strompreis-Erhöhungen werden zum 1. Februar weitere Gas- und Stromanbieter nachziehen. In einzelnen Fällen stiegen die Preise um 23 Prozent. Das hat zwar auch zu Anbieterwechseln geführt - oft allerdings zu Billiganbietern, die nicht selten ebenfalls den Großen Vier gehören - den Strom-Konzernen RWE, E.on, Vattenfall und EnBW, die als Oligopole den deutschen Strommarkt beherrschen. Rund 1,5 Millionen Haushalte haben bereits im vergangenen Jahr ihren Anbieter gewechselt - davon rund 400.000 Haushalte zu Ökostrom-Anbietern. Diese zählen bereits heute bei einem sparsamen Stromverbrauch zu den günstigsten Anbietern. Ein Durchschnittshaushalt mit einem Jahresverbrauch von 3.500 Kilowattstunden muß monatlich zwischen - im günstigsten Fall - 47 Euro und 70 Euro berappen. Ein sparsamer Haushalt bei 1.600 Kilowattstunden bei einem Ökostromanbieter nur rund 36 Euro. Im Regelsatz sind allerdings für Energie - also Strom, Gas und Warmwasser, außer der Heizung über die Wintermonate - monatlich insgesamt nur 21,75 Euro eingeplant. Nun ist seit Januar nicht nur von Preiserhöhungen die Rede. Angeblich zeigten sich die Großen Vier offen für eine Entlastung sozial Schwacher von den steigenden Strompreisen. Falls es sich dabei nicht lediglich um einen - schnell wieder vergessenen - PR-Coup handelt, ist dazu folgendes anzumerken: Die ALG-II-Sätze werden trotz steigender Strompreise und vieler anderer Lebenshaltungskosten nicht angehoben. Wer also von ALG II abhängig ist, wird damit auf Gedeih und Verderb der Gnade von Wirtschaftsunternehmen ausgeliefert. Auf keinen Fall und schon gar nicht auf längere Sicht ist damit zu rechnen, daß diese die mit den Preiserhöhungen entstandene Lücke vollständig schließen. Weil der Staat seiner Verpflichtung nicht nachkommt, sind die Menschen in folge dessen immer mehr auf Almosen angewiesen.
In einem Kommentar in der 'Frankfurter Rundschau' schrieb daher Frank-Thomas Wenzel völlig zurecht:
Und schon im Januar machte der drittgrößte Strom-Konzern auf dem deutschen Markt, Vattenfall, einen Rückzieher: "Wir wollen das nicht alleine schultern", sagte eine Vattenfall-Sprecherin. Vattenfall plädierte dafür, unter Beteiligung der Politik, der Energieversorger und der Sozialverbände eine gemeinsame Lösung für die von hohen Energiekosten belasteten Haushalte zu erarbeiten. Und E.on hat seit einem halben Jahr "großzügigerweise" Grundgebühren in Höhe von monatlich 5 bis 10 Euro erlassen, wenn - ja wenn - eine schriftliche Anerkennung der Befreiung von den "Rundfunkgebühren" der GEZ vorgelegt werden kann. Und während der ALG-II-Satz seit Einführung der Hartz-IV-Gesetze am 1. Januar 2005 lediglich um 2 Euro von 345 auf 347 Euro erhöht wurde, stiegen die Strompreise in den vergangenen Jahren drastisch:
Eine Frechheit ist es da, wenn sich Politiker wie der "Umwelt"-Minister Sigmar Gabriel, die unter Schröder Sozialabbau und Agenda 2010 auf den Weg gebracht haben, nun als Fürbitter hinstellen. Gabriel hatte Anfang Januar an alle Energieversorger in Deutschland appelliert, einen Stromtarif für sozial Schwächere in die Grundversorgung aufzunehmen. Auch aus nicht berufenem Munde ist dazu Wahres zu hören. So kritisierte der "schwarze" schleswig-holsteinische Wirtschaftsminister Dietrich Austermann Gabriel: "Der ist selbst der größte Preistreiber." Und: "Der Strompreis ist für viele Menschen heute das, was früher der Brotpreis war." Allein die von Gabriel mitgetragene Mehrwertsteuer-Erhöhung auf 19 Prozent - unter "Schwarz-Rot" - hat die Stromkosten der deutschen Haushalte zwischen 1,5 und 3,2 Milliarden Euro erhöht. Der Deutsche Mieterbund äußerte Zweifel daran, daß die Energiekonzerne - wie von Gabriel gefordert - Sozialtarife für Arme anbieten werden. "Ich habe erhebliche Zweifel, daß sich die Energiekonzerne als Samariter betätigen werden", sagte der Präsident des Mieterbundes, Franz-Georg Rips. "Dafür ist der Hunger nach Rendite zu groß". Dennoch begrüßte Rips den Vorschlag Gabriels. "Alles, was die betroffenen Haushalte entlastet, ist hilfreich." Allerdings dürfe das nicht dazu führen, daß sich die Politik aus der Verantwortung für sozial Schwache zurückziehe. Doch genau zu diesem Zweck diente der Vorstoß Gabriels. Vergangene Woche hat nun der Vattenfall-Konzern, der nach dem Beihnahe-GAU im AKW Krümmel am 28. Juni 2007 verstärkt mit der Abwanderung von KundInnen zu kämpfen hat, eine Charme-Offensive gestartet. Vattenfall kündigte eine "Preisgarantie bis Ende 2008" an. In Berlin, wo Vattenfall rund 1,6 Millionen private und gewerbliche Kunden beliefert, sollen zudem die Preise rückwirkend zum 1. Januar 2008 um durchschnittlich 1,7 Prozent sinken. Bei einem durchschnittlichen Haushalt würde dies eine Entlastung um 11 Euro bedeuten - im Jahr. Dabei war von Vattenfall erst im Juli 2007 der Strompreis um 6,5 Prozent angehoben worden. So bleibt es auch für die BerlinerInnen trotz Preisnachlaß unterm Strich bei einer saftigen Preiserhöhung. Die Berliner IHK und die Handwerkskammer hatten Ende letzten Jahres die vier führenden Energiekonzerne scharf angegriffen und gefordert, deren Marktmacht zu brechen. Unter anderem fordern die Verbände einen Ausbaustopp der Kraftwerkskapazitäten der vier Marktführer und den Zwangsverkauf einiger Kraftwerkskapazitäten, um auf diese Weise mehr Wettbewerb zu schaffen. Treuherzig erklärte nun der Deutschland-Chef von Vattenfall: "Niemand darf in einer kalten Wohnung sitzen, weil das Geld für Energie fehlt." Nach jüngsten Untersuchungen sind die deutschen Stromanbieter in ganz Europa am schnellsten bei der Hand, den Strom abzuschalten, wenn einmal die Ratenzahlungen ausbleiben. Und ebenso treuherzig hat vor wenigen Tagen Bundesbauminister Wolfgang Tiefensee eine Erhöhung des Wohngeldes angesichts drastisch gestiegener Wohn- und Wohnnebenkosten ins Gespräch gebracht. Ob er dem allerdings Taten folgen läßt und ob er dieses Vorhaben in der "schwarz-roten" Koalition durchsetzen will und kann, ist noch eine ganz andere Frage. Seit 2001 sind die Mieten ohne die Nebenkosten bereits um 6,5 Prozent gestiegen. Die Kosten für Wasser, Abwasser und Müll stiegen in diesem Zeitraum um über zehn Prozent, die Kosten für Strom um 23,8, die für Gas um 30,3 und die für Heizöl gar um 53,3 Prozent. (Daten aus dem Wohngeld- und Mietenbericht 2006 der Bundesregierung) All diese Steigerungen bedeuten realen Sozialabbau.
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