MONTAGS-DEMO FREIBURG
Redebeitrag vom 17.12.07

Sozialabbau und Kinderelend in Deutschland

Ausgerechnet am Nikolaustag wurde auf der Lokalseite der Badischen Zeitung eine sogenannte Hilfsaktion gefeiert. Ein Artikel von rund einer Drittelseite - was sonst die Berichterstattung über Sozialabbau, der ja offiziell gar nicht so heißen darf, niemals beanspruchen darf. Darüber - ebenfalls auf einem Drittel der Seite - ein anheimelndes Bild einer Kirche mit vielen Lichtlein drum herum im Halbdunkel.

Nicht zufällig zum Martinstag durften wir uns derselben Art investigativen Journalismus erfreuen...

Solche Hilfsaktionen funktionieren nach dem Prinzip, das Bill Gates bis auf höchste Spitzen getrieben hat: Milliarden räubern und zugleich in der Öffentlichkeit hier und dort ein paar Millionen spenden. "Tue Gutes und rede darüber!", lautet das heuchlerische Motto. Und hierzulande wollen nun dieselben, die als "Schwarz-Rot-Grün-Gelb" ob auf Bundes-, Landes oder kommunaler Ebene für Sozialabbau verantwortlich zeichnen und das Kinderelend in Deutschland maßgeblich angerichtet haben, sich als WohltäterInnen aufspielen.

Doch schauen wir uns den Artikel genauer an, könnte uns das Lachen noch im Halse stecken bleiben. Darin ist ganz frech und frank davon die Rede, daß vom 1. Februar 2008 eine Mahlzeit am Tag für SchülerInnen, Kindergarten- und Hort-Kinder von 3,50 Euro auf einen Euro heruntersubventioniert werden soll. Das soll nun eine großartige Liebesgabe sein!

Es erinnert doch sehr an den scheinheiligen Soldaten namens Martin, der einem Frierenden vom hohen Roß herunter einen halben Mantel spendierte und weiter seines Weges zog. Offenbar ist diese Art caritativen Teilens das Vorbild für Leute wie Bill Gates und andere Reiche, die auf diese Weise zwei Effekte zugleich erreichen können. Zum einen stehen sie als edle HelferInnen in der Öffentlich da und zum anderen sorgen sie dafür, daß die selbst angerichtete Misere nicht beendet wird und so bei nächster Gelegenheit erneut als Kulisse für die Pseudo-Wohltätigkeit dienen kann und muß.

Vielleicht ist manchen ja nicht klar, warum dieses Heruntersubventionieren von 3,50 Euro auf einen Euro exakt diesem Prinzip entspricht. Wer diesen Artikel vom 6. Dezember aufmerksam gelesen hätte, wüßte es. Was sonst nicht so offen benannt wird, ist darin aufgeführt: Der tägliche Anteil fürs Mittagessen im ALG-II-Satz liegt bei 1,02 Euro für Kinder bis 14 Jahren und 1,37 Euro für Jugendliche bis 18 Jahre.

Wer das tatsächlich gelesen hat und nicht einfach an sich vorbei rauschen ließ, fragt sich selbstverständlich, wieviel denn dann eigentlich pro Tag nach dem ALG-II-Satz für die Ernährung eines Kindes zur Verfügung stehen. Es sind 2 Euro 28 Cent. Wenn also 1 Euro fürs Mittagessen draufgeht, bleiben nur noch 1 Euro 28 Cent für den restlichen Tag - das ist genau das, was Pseudo-ChristInnen mit dem Symbol eines halben Mantels meinen.

Und im Freiburger Gemeinderat können sich nun alle - quer durch die Bank - im Lichte ihrer Wohltätigkeit sonnen.

Die Mainstream-Medien verstehen es auch hervorragend, "Familien"-Ministerin Ursula von der Leyen ins rechte Licht zu rücken. Kaum bekannt ist hingegen, daß sie bereits zuvor als Ministerin in Niedersachsen eine Probe ihrer Mitleids-Fähigkeit ablegte, indem sie die finanziellen Mittel für Blinde rigoros kürzte. Nun wird sie uns als Helferin der Kinderlein verkauft. Nachdem in den letzten Wochen immer mehr Fälle von Kindesmißhandlungen und Kindesmord publik wurden, konnte sie nicht mehr umhin, als so zu tun als wolle sie nun etwas tun. Doch wie beim anwachsenden Problem mit zunehmendem Alkoholismus unter Jugendlichen, kennt diese Frau offenbar nur das Kurieren an Symptomen, Repression oder gar den Einsatz von Kindern als Spitzel.

Nun sollen die ÄrtzInnen als staatliche Überwachungsorgane eingesetzt werden, um den Behörden "Problemfamilien" zu melden. Um die eigentlichen Ursachen jedoch redet Frau von der Leyen herum - und sie wird von gut bezahlten JournalistInnen - besser: HofberichterstatterInnen - auch gar nicht mehr danach gefragt.

Dabei wurde Anfang dieses Jahres beim Fall Kevin, der die Aufmerksamkeit erst in diese dunkle Ecke gelenkt hatte, bekannt, was die eigentlichen Ursachen sind. Die SozialarbeiterInnen wurden systematisch überlastet, in dem ihnen mehr und mehr Familien zur Betreuung aufgebürdet wurden.

So war am 18. Januar in der Badischen Zeitung zu lesen:
> Nach Sparmaßnahmen hätten im Jugendamt zuletzt nur noch drei Vormünder auf 2,75 Planstellen 640 Kinder betreut. "Das ist nicht leistbar" , klagte der Diplom-Sozialarbeiter als Zeuge. Immer wieder hätten er und seine Kollegen die Vorgesetzten auf diese Belastung hingewiesen, auch mit förmlichen Überlast-Anzeigen. <

Selbstverständlich war dies vergeblich. Und es ist bis heute vergeblich, da es in den Medien nicht mehr zur Kenntnis genommen und verdrängt wird. Zudem geht diese Erkenntnis, die nur ein einziges Mal Platz in einem Artikel fand, in einem Wust an Fehl- und Desinformation unter.

Ebenso wenig ist in der Öffentlichkeit bekannt, daß die Kinderarmut in Deutschland innerhalb von nur fünf Jahren von "Schwarz-Rot-Grün-Gelb" nahezu um auf das sechsfache gesteigert wurde. Daß in einem Land, das sich als derart kinderfeindlich ausweist, Kinderelend, Kindesmißhandlungen und Kindesmord immer mehr ausbreiten, darf nicht verwundern. Und nun sollen wir diesem "schwarz-rot-grün-gelben" Gesindel auch noch dankbar sein, wenn ein paar Almosen verteilt werden?

 

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