MONTAGS-DEMO FREIBURG
Redebeitrag vom 10.12.07

Protest gegen Werbung der Bundeswehr bei der Arbeitsagentur

»Keine Militär-Werbeshow in Freiburg«

Am kommenden Donnerstag, den 13. Dezember, plant die Agentur für Arbeit - in der Lehener Straße 77 - eine - so der offizielle Sparachgebrauch - "Information für Jugendliche über Berufe in Uniform".

Dabei geht es schlicht und einfach darum, die Not der Jugendlichen ohne genügend Ausbildungsplätze und mit zunehmend schlechten Aussichten auf einen Arbeitsplatz auszunutzen: Sie sollen mit der "Lizenz zum Töten" gelockt werden..

Leider müssen wir zur Kenntnis nehmen, daß es sich bereits um die vierte derartige Veranstaltung in diesem Jahr in Freiburg handelt - im Oktober vergangenen Jahres wurde immerhin schon einmal dagegen protestiert.

Das Freiburger Friedensforum will am Donnerstag Informationsmaterial verteilen und potentielle BesucherInnen dieser Werbe-Veranstaltung vor der Freiburger Arbeitsagentur ansprechen. Ich rufe dazu auf, sich an dieser Aktion zu beteiligen. Die Veranstaltung der Bundeswehr am Donnerstag ist für die Zeit von 14 bis 17:30 Uhr angekündigt. Es wäre also sinnvoll, wenn möglichst viele Menschen sich bereits um 13:30 Uhr vor der Agentur für Arbeit, Lehener Straße 77 einfinden. Eine Resolution gegen diese Werbeveranstaltung liegt im übrigen seit vergangenem Montag hier auf den Info-Tischen aus.

Der Druck auf immer mehr junge Menschen wächst, sich wegen der schwindenden Berufs-Chancen bei der Bundeswehr für den legalisierten Mord ausbilden zu lassen. Vor zehn Jahren noch konnte dies als relativ abstrakt beiseite geschoben werden. Nun geht es nicht mehr um einen - damals von vielen als relativ unwahrscheinlich eingeschätzten - Einsatz gegen die "rote Gefahr" aus dem Osten. Mit dem Einsatz im Kosovo-Krieg 1999 und mit der Beteiligung am Afghanistan-Krieg seit 2001 ebnete "Rot-Grün" den Weg für weltweite Kriegseinsätze der Bundeswehr. Heute geht es ganz profan um die Sicherung der Rohstoffversorgung der deutschen Industrie - sprich: um Öl, Gas, Coltan oder Uran.

Wie schon in den USA seit Jahren zu beobachten, wird das Risiko, die Rohstoffversorgung der Industrie mit dem eigenen Leben zu bezahlen, zunehmend auf die Bevölkerungsschichten abgewälzt, die am wenigsten davon profitieren. Bei der US Army wuchs der Anteil der schwarzen Bevölkerung weit überproportional.

Ebenso wie in den USA ist auch in Deutschland eine weitere parallele Entwicklung zu beobachten: Während die Sozialausgaben heruntergefahren werden, steigen die Militärausgaben. Und denjenigen, denen durch Mehrwertsteuererhöhung und Inflation das ALG II Jahr für Jahr gekürzt wird, sind oft genau die, die bei Einsätzen im Ausland ihr Leben riskieren und die durch diese Kürzung unter zunehmenden Druck gesetzt werden.

Für die "schwarz-rote" - ebenso wie die vorangegangene "rot-grüne" Bundesregierung spielt dabei keine Rolle, daß der Afghanistan-Einsatz von einer Mehrheit der Deutschen - inzwischen selbst von einer Mehrheit der "Schwarz-WählerInnen" - abgelehnt wird. Statt dessen wird die Zahl der Auslandseinsätze - ob am Horn von Afrika, im Mittelmeer vor der Küste Israels oder in der DR Kongo - stetig und zielstrebig erhöht. Immer mehr SoldatInnen - die vielleicht bei ihrer Rekrutierung noch glaubten eine ruhige Kugel in deutschen Kasernen schieben zu können - müssen an solchen Einsätzen teilnehmen. Und immer mehr kommen in einer schwarzen Plastiktüte in die Heimat zurück.

Aus vorliegenden Studien - die Bundeswehr ist verständlicher Weise nicht sehr kooperativ, Daten herauszugeben - ist mittlerweile bekannt, daß ein großer Teil der Jugendlichen, die sich bei der Bundeswehr verpflichten, keineswegs von der Richtigkeit der Entscheidung überzeugt sind, sondern auf Nachfrage ganz offen äußern: Es sind finanzielle Gründe, die sie SoldatIn werden ließen.

So haben beispielsweise bei einer Befragung rund ein Drittel der Jugendlichen geantwortet, sie könnten sich eine Verpflichtung bei der Bundeswehr vorstellen, wobei über die Hälfte davon dies nur "unter Umständen" tun würde. Dieses "unter Umständen" erklärt sich daraus, daß wiederum 30 Prozent von diesen angeben, sie würden sich verpflichten, da sie keine Möglichkeit sehen, einen anderen Ausbildungsplatz zu bekommen.

Über 70 Prozent der Jugendlichen, die Interesse am Soldatenberuf haben, geben an, sie würden vor allem aufgrund der Arbeitsplatzsicherheit zur Bundeswehr gehen, fast 60 Prozent nennen die guten Einkommensmöglichkeiten als Grund. Im Gegenzug geben fast 90 Prozent der Jugendlichen, die sich nicht bei der Bundeswehr verpflichten wollen, hierfür als Grund an, sie könnten mit einem besseren Arbeitsplatz rechnen.

Fazit:
Wer berufliche Alternativen hat, geht nicht zur Bundeswehr. Wer über ausreichende berufliche Chancen verfügt, zieht die Möglichkeit, Soldat der Bundeswehr zu werden, gar nicht in Betracht.

Die erhöhte Hürde beim Universitätsstudium durch die neu eingeführten Studiengebühren - die inzwischen auch zu drastisch geringeren StudentInnen-Zahlen geführt hat - trifft ebenfalls weit überwiegend Kinder aus der Unterschicht. So ist es auch nicht verwunderlich, daß bei denjenigen, die sich verpflichten und bei der Bundeswehr eine Ausbildung machen bzw. an einer Bundeswehr-Universität studieren, ähnlich Motive zutage treten. Eine Befragung von StudentInnen der Bundeswehr-Universitäten Hamburg und München kommt zum Ergebnis, daß fast 70 Prozent der StudentInnen den "Beruf in Uniform" nicht gewählt hätten, wenn ihnen dadurch nicht ein Studium ermöglicht worden wäre.

Der 'Stern' meldete im Juni 2005 unter dem Titel "Bundeswehr verzeichnet Zulauf wegen Arbeitslosigkeit", daß die Zahl der BewerberInnen kontinuierlich ansteigt. Eine Entspannung auf dem Arbeitsmarkt könnte jedoch zu Problemen bei der Nachwuchsgewinnung führen, meldete dasselbe Magazin im April 2006.

Wie die Berliner Zeitung im Januar 2006 schrieb, werde die Bundeswehr zu einer "Armee der Arbeitslosen". Mehr als jeder Dritte einberufene Wehrpflichtige sei zuvor arbeitslos gemeldet gewesen. Der Run auf die Bundeswehr sei vor allem auf die Lage am Arbeitsmarkt zurückzuführen, sagte ein Sprecher der Arbeitsagentur Berlin-Brandenburg ganz offen.

Eine Befragung von Unteroffizieren ergab, daß fast 90 Prozent einen Hauptschul- bzw. Realschulabschluß hatten - nur etwas mehr als 10 Prozent die Fachhochschulreife oder Abitur.

Fazit:
Die Bundeswehr als Arbeitgeber ist gegenwärtig in erster Linie für Haupt- und Realschüler mit oftmals geringen beruflichen Alternativen, die sich von der Armee Ausbildungs- bzw. Weiterbildungsmöglichkeiten versprechen, interessant. Demgegenüber nehmen viele Abiturienten die Streitkräfte als Beschäftigungsfeld erst gar nicht wahr.

Es zeigt sich zudem, daß sich vor allem Jugendliche aus Ostdeutschland verpflichten und dies in erster Linie in Regionen, in denen eine hohe Arbeitslosigkeit herrscht.

Die empirisch belegten Erkenntnisse bekommen angesichts zunehmender Bundeswehreinsätze im Ausland und der damit verbundenen Gefahren für die BundeswehrsoldatInnen, vor allem im Lichte von Hartz IV und rasantem Sozialabbau eine zusätzliche Brisanz. Anzeigen der Bundeswehr heben die Vorteile, wie Arbeitsplatzsicherheit, hohes Einkommen etc. hervor. Seit sechs Jahren wirbt auch die Agentur für Arbeit verstärkt mit denselben Argumenten für die Bundeswehr. Und Werbe-Veranstaltungen der Bundeswehr bei Arbeitsagenturen in Stadt und Land nehmen stetig zu.

Da ist Zynismus pur!

Doch auf den Protest von Bremer Arbeitslosen gegen Werbe-Veranstaltungen der Bundeswehr, reagierte der Vize-Chef des Arbeitsamtes mit Unverständnis. Die Bundeswehr sei eine ganz normale Firma, mit der man zusammenarbeite.

Auch auf der Internetseite der Bundesagentur für Arbeit heißt es frank und frech: "Im Agenturbezirk Dessau sind derzeit rund 2.500 Jugendliche unter 25 Jahre arbeitslos. Die Bundeswehr hingegen bietet freie Stellen. Ziel der Kooperationspartner ist es, den Jugendlichen, die sich für vier Jahre bei der Bundeswehr verpflichten, anschließend berufliche Perspektiven in der Region aufzuzeigen."

Das beunruhigende an der derzeitigen Situation ist, daß die Arbeitslosen bisher nicht einmal zum Kriegsdienst gezwungen werden müssen. Der ökonomische und soziale Druck ist so hoch, daß sie vermeintlich freiwillig in den Krieg ziehen. Das bedeutet, daß vor allem Menschen aus marginalisierten sozialen Schichten bei Bundeswehreinsätzen ihr Leben für "deutsche Interessen" lassen. Dadurch spaltet sich die Gesellschaft in diejenigen, die von Kriegseinsätzen profitieren und diese initiieren und diejenigen, die im schlimmsten Fall bei solchen Einsätzen sterben oder traumatisiert zurückkehren und somit weiter in unserer Gesellschaft marginalisiert bzw. ausgeschlossen werden.

Wenn es uns nicht gelingt, diese Entwicklung zu stoppen, wird der gesellschaftliche und soziale Folgeschaden noch für Jahrzehnte spürbar sein.

 

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