MONTAGS-DEMO FREIBURG
Redebeitrag vom 26.11.07

»Sozialabbau und die Profite der Stromkonzerne«

Bereits in diesem Jahr stiegen die Strompreise laut Statistischem Bundesamt um 7,3 Prozent. Auch dies ist realer Sozialabbau, denn es trifft die EmpfängerInnen von ALG II und die kleinen RentnerInnen, deren Realeinkommen durch die Preissteigerungen Jahr für Jahr sinken, am härtesten. Und: Die Großen Vier - E.on, RWE, EnBW und Vattenfall - treiben die Strompreise weiter hoch. Zum Jahreswechsel haben die vier Konzerne, die den deutschen Strommarkt beherrschen, bereits Preiserhöhungen um bis zu zehn Prozent angekündigt. Wenn beispielsweise Harry Roels, RWE-Chef, sein Salär von 6,9 Millionen Euro im Jahr 2006 auf 12,2 Millionen Euro nahezu verdoppeln konnte, dann zu einem großen Teil auf Kosten der Armen.

Es ist nicht zu leugnen, daß auf dem europäischen Strommarkt ein Überangebot herrscht. Wenn die Großen Vier dennoch den Strompreis in Deutschland in den letzten sieben Jahren um rund 50 Prozent nach oben treiben konnten ist dies ein deutliches Indiz für Preisabsprachen. Denn in einer kapitalistischen Markwirtschaft gilt - zumindest in der Regel - das Gesetz von Angebot und Nachfrage. Im konkreten Fall müßten also bei Überangebot und stagnierender Nachfrage die Preise sinken.

Bereits vor über einem Jahr, am 29. Mai 2006, fand eine spektakuläre Durchsuchung der Düsseldorfer Zentrale des E.on-Konzerns statt. SonderermittlerInnen der EU-Wettbewerbskommission zusammen mit BeamtInnen des Bundeskartellamts nahmen Akten und Computer unter die Lupe. Wie inzwischen durchsickerte wurde dabei brisantes Material gehoben, das Rückschlüsse auf ein Kartell der großen Strom-Oligopole E.on, RWE, EnBW und Vattenfall erlaubt.

Doch obwohl das Material nach Aussagen von Insidern schlüssig beweist, daß die Großen Vier des deutschen Strommarkts, die zudem mit Zähnen und Klauen am Betrieb der 17 deutschen Atomkraftwerke festhalten, gegen Wettbewerbs- und Kartellgesetze verstoßen haben, belassen es EU und Bundesregierung bislang bei wortreichen Drohungen. So löste die medienwirksame Ankündigung von Wirtschaftsminister Michael Glos vom Januar dieses Jahres, die Marktmacht der Großen Vier beschränken und ihre Verfügungsgewalt über die Stromnetze beschneiden zu wollen, nur ein Lachen hinter vorgehaltener Hand aus. Denn die Spitzenmanager von E.on, RWE, EnBW und Vattenfall wußten sicherlich, daß die deutsche Bundesregierung kurz zuvor hinter den Kulissen zusammen mit Frankreich bei EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso interveniert hatte, um eine zwangsweise Entflechtung der Energiewirtschaft und damit mehr Wettbewerb zu verhindern.

In einer Expertise, die bereits 2006 im Bundeskartellamt unter Leitung des damaligen Chefs Ulf Böge erstellt wurde, wird unter anderem konstatiert, daß führende Manager und Vorstandsvorsitzende der Großen Vier über Jahre hinweg Geheimtreffen vereinbart haben, daß hierbei Strategien abgestimmt wurden, daß neue Märkte insbesondere in den neuen EU-Staaten im Osten einvernehmlich untereinander aufgeteilt wurden und daß Preisabsprachen getroffen wurden. Der durch die Liberalisierung des Strommarktes 1998 versprochene Wettbewerb, der zu sinkenden Strompreisen hätte führen sollen, wurde von den Großen Vier unterlaufen. Die deutschen Strompreise liegen nicht nur auf einer Spitzenposition im europäischen Vergleich, sie steigen seit sieben Jahren unaufhörlich. Allein in diesem Zeitraum stiegen die Gewinne vor Steuer der Großen Vier um mehr als 90 Milliarden Euro.

2002 lag der Strompreis für einen Durchschnittshaushalt bei 47 Euro
2003 bei 50 Euro
2004 bei 52 Euro
2005 bei 54 Euro
2006 bei 57 Euro
und in diesem Jahr stieg er auf über 60 Euro.

Nach der Jahrtausendwende wußten sich die mächtigen Konzern-Herren, die in der "rot-grünen" Regierung Gerhard Schröders keinen ebenbürtigen Verhandlungspartner oder gar eine ordnungspolitische Autorität erkennen konnten, schnell der angeblich allmächtigen "Gesetze des Marktes" zu entledigen. Mit rund 30 Milliarden Euro Entsorgungsrückstellungen konnten sie auf Einkaufstour gehen und der Reihe nach kleine Stadtwerke und Regionalversorger in Besitz nehmen. Die Rücklagen sind ursprünglich vom Gesetzgeber zum Zwecke der Endlagerung des Atommülls gedacht, mußten jedoch nicht in abgesicherte Fonds eingebracht werden und standen den Konzernen daher für spekulative Geschäfte zur Verfügung. Unter den Augen von "Rot-Grün" schlossen sich die Ex-Monopolisten Veba und Viag zum E.on-Konzern zusammen. Für die vom Kartellamt zunächst gestoppte Übernahme des europaweit größten Gashändlers Ruhrgas AG gab die "rot-grüne" Bundesregierung sogar eine Sondererlaubnis. Und statt den versprochenen Wettbewerb zu kontrollieren, zögerte "Rot-Grün" die Einsetzung der von der EU geforderten Netzagentur, die über faire Bedingungen bei den Durchleitungspreisen im Stromnetz - und damit über die sogenannte freie Marktwirtschaft - wachen sollte, über mehrere Jahre hinaus.

ExpertInnen haben bereits die Hoffnung auf Erfolge bei einer am 5. November in Berlin begonnenen Bundestagsanhörung "zur Bekämpfung von Marktmißbrauch auf dem Energiesektor" aufgegeben und richten den Blick erwartungsvoll nach Brüssel. Doch ob die als energisch geltende EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes die in sie gesetzten Erwartungen erfüllen wird, erscheint jedoch recht fraglich. Und im Zweifelfall hatte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso noch immer ein offenes Ohr für die Sorgen und Nöte von Spitzenmanagern.

Doch auch in diesem Bereich gibt es ein recht einfaches Mittel, das zudem doppelte Wirkung verspricht: Jeder anständige Mensch sollte zu einem Ökostromanbieter wechseln. Je nach eigenem Verbrauch sind diese sogar preisgünstiger als die großen Vier - oder als Badenova, die ebenfalls im Atomstromgeschäft verstrickt ist. Leider ist das immer noch viel zu wenig bekannt. Ich empfehle die Energiewerke Schönau und 'Greenpeace enegy'. Nur wenn den Großen Vier die KundInnen weglaufen, werden sie gezwungen sein, die Preise zu senken. Und mit einem Wechsel zum Ökostromanbieter könnt ihr den seit Jahr und Tag versprochenen Atomausstieg innerhalb von fünf Minuten selbst realisieren - mehr Zeit benötigt der Wechsel nicht!

Siehe auch: Atom-Ausstieg selber machen!

 

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