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Sozialabbau und "glückliche Kindheit"
Das Thema mag ein wenig zynisch anmuten. Doch wenn der Chefredakteur der 'Badischen Zeitung', Thomas Hauser, seinen Kommentar auf der Titelseite mit den Worten "Glückliche Kindheit" überschreibt - so geschehen am vergangenen Dienstag -, stellt dies einen Affront dar, der nicht unbeantwortet bleiben kann. Thomas Hauser, nimmt eine aktuelle Studie als Vorlage, wonach unsere heutigen Schulen viele Kinder unglücklich machen. Holger Strohm, Atomenergie-Kritiker und Bestseller-Autor, hatte bereits vor fünf Jahren eine wissenschaftliche Studie zu den Zuständen in deutschen Schulen vorgelegt, die zu noch drastischeren Ergebnissen kommt. Holger Strohm war übrigens schulpolitischer Berater des schwedischen Ministerpräsidenten Olaf Palme und hatte damals entscheidende Anstöße geliefert, die zu der weitaus besseren Schulentwicklung der skandinavischen Länder beitrug. PISA hat dies mehrfach bestätigt. Zurück zu Thomas Hauser: Neben Beschwichtigung und Ignoranz hat dieser "Meinungsführer" nichts anderes zu bieten als einen Leitspruch, den er gleich zweimal in seinen ansonsten nichtssagenden Text einbaut: Man müsse lernen, zu mögen, was man mögen muß. Damit offenbart er - wohl unbeabsichtigt - das geheime Credo jedes erfolgreichen Opportunisten: Es genügt nicht, jedem Trend, der gerade "in" ist hinterherzulaufen - erfolgreich ist erst, wem es gelingt, selbst den größten Unsinn mit Inbrunst zu glauben und so zu "mögen", daß die Performance nach außen hin "authentisch" wirkt. Dies funktioniert selbstverständlich am besten bei einer zuvor völlig entkernten Persönlichkeit. Der bekannte Regisseur Stanley Kubrick hatte 1964 für einen seiner besseren Filme diesen Leitspruch zum Filmtitel "Dr. Seltsam, oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben" abgewandelt. Viele haben das leider vergessen - obwohl die Gefahr real nicht geringer geworden ist - es ging in Stanley Kubricks Film nicht etwa um eine Sexbombe, sondern um die Atombombe und die Gefahr der atomaren Auslöschung der Menschheit. Und für Thomas Hauser gilt wohl in diesem Jahrtausend die Abwandlung des Leitspruchs: "Wie ich lernte den Sozialabbau zu lieben". So wird in der 'Badischen Zeitung' - ebenso wie in sämtlichen Mainstream-Medien - die Politik der sogenannten Arbeitsmarktreformen, der Agenda 2010, der Hartz-Gesetze, also real nichts anderes als Sozialabbau, weiterhin gefeiert, während auf der anderen Seite das zunehmende Elend der Kinder weitgehend ausgeblendet bleibt. Deshalb ist es immer wieder wichtig, dieser Einheitfront der "Meinungsmacher" die Fakten entgegen zu halten:
Ende 2002 waren 1,02 Millionen Kinder von Sozialhilfe abhängig
Vergangene Woche wurde nun in Berlin der 'Kinderreport Deutschland 2007' des Kinderhilfswerks veröffentlicht. Danach sind es inzwischen 5,9 Millionen Kinder - also rund ein Drittel aller Kinder - die als arm zu gelten haben. Auch andere neuere Studien beweisen, daß die Kinderarmut in Deutschland in den letzten Jahren rasant zugenommen hat. Seit Einführung von "Hartz IV" hat sich die Kinderarmut verdoppelt, und sie wächst weiter, sagte der Präsident des Deutschen Kinderhilfswerkes, Thomas Krüger - trotz der angeblich zurückgehenden Arbeitslosigkeit. Die Folgen dieser politisch gezielt ausgeweiteten Armut sind vor allem im Bildungsbereich zu sehen. Kinder aus armen Verhältnissen weisen deutliche Verhaltensstörungen bei der Einschulung auf, die einer therapeutischen Behandlungen bedürfen. Dies ist laut Kinderreport 2007 heute bereits bei jedem dritten Kind festzustellen, das eingeschult wird. Aber auch beim Verlassen der Schule besitzen die Kinder kein "Mindestmaß an Kulturtechnik". Als Grund nennt das Kinderhilfswerk vor allem, daß der deutsche Staat unter dem Durchschnitt in der Europäischen Union liegt, wenn es darum geht, den Familien Geld zukommen zu lassen. Der EU-Durchschnitt dafür betrage 2,1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. In Deutschland liegt er gerade einmal bei 1,9 Prozent. In Deutschland wächst die Kluft zwischen den Menschen mit Kindern und jenen ohne. Das Kinderhilfswerk meint, eigentlich sollte die Regierung genau dem entgegenwirken. Satt dessen werde "Raubbau am Nachwuchs" betrieben. Zu lösen ist das Problem der zunehmenden Kinderarmut nur, wenn an der Ursache angesetzt wird. Denn die Ursache ist der nach wie vor vorangetriebene Sozialabbau. Arme Kinder haben arme Eltern. Die jetzt von "Schwarz-Rot" beschlossenen 200 Millionen Euro für den Ausbau des Kinderzuschlags zu einem Erwerbstätigenzuschuß sind nur ein Almosen. Und sie sind zugleich ein Ablenkungsmanöver, um mit Hilfe der Mainstream-Medien die Politik des Sozialabbaus aus der öffentlichen Wahrnehmung ausblenden zu können.
Deshalb müssen wir auch immer wieder folgende Zahlen in die Öffentlichkeit tragen:
Hartz IV und die seit Anfang 2005 real - also im Verhältnis zur Kaufkraft - sinkenden Regelsätze beruhen auf einer sogenannten der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) von 2003. Aufgrund dieser Regelsätze steht einem Kind in Deutschland folgendes zu:
Wenn diese Zahlen öffentlich genannt werden, kommen deutsche PolitikerInnen von "Scharz-Rot-Gelb-Grün" immerhin in Erklärungsnöte - und sie weichen jetzt darauf aus, Almosen zu verteilen und sich in Suppenküchen als WohltäterInnen der Menschheit ablichten zu lassen. Nach dem Vorbild eines scheinheiligen Sankt Martin, der einem Frierenden einen halben Mantel abgab. Wir wollen keine Almosen - die Ursachen müssen bekämpft werden:
Die zentrale Forderung zur Bekämpfung der Kinderarmut in Deutschland lautet daher:
Und weiterhin bleibt es bei unserer Forderung:
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