|
Der Telekom-Streik
Telekom fährt schweres Geschütz gegen Belegschaft auf
Der Telekom-Streik geht bald in die dritte Woche und die Konzern-Führung fährt nun schweres Geschütz auf: Falls die Streikenden nicht klein bei geben und das "sehr faire und ausgewogene" Angebot annehmen, droht die Konzern-Führung mit der zwangsweisen "Überführung" von 50.000 Stellen in drei neue Service-Gesellschaften. Anders als im Falle einer Verhandlungseinigung sollen diese an die beiden bereits bestehenden Tochtergesellschaften T-Mobile KS und Vivento Technical Services angehängt werden. Dann müßten die "überführten" Beschäftigten die dort gültigen Tarifverträge akzeptieren. Für eine solche Lösung sei weder die Zustimmung der Gewerkschaft noch der Mitarbeiter erforderlich, betonte der neue Telekom-Personal-Chef Thomas Sattelberger. Zwar könne der Einzelne Widerspruch gegen seine "Überführung" einlegen. Aber die "Folge" werde seine Entlassung sein: "Mit dem Widerspruch entscheidet der Mitarbeiter über seinen Arbeitsplatz", droht Sattelberger. Ihm täte "das Herz weh", wenn es so weit kommen müsse, seufzte Sattelberger. Der Vorstand der Telekom hatte bereits im März angekündigt, über 50.000 Arbeitsplätze in neu zu gründende "T-Service"-Tochterunternehmen auszugliedern, um so die Löhne drücken und zugleich die Arbeitszeit verlängern zu können. Die Telekom will die Löhne um 9 Prozent senken und gleichzeitig die Wochenarbeitszeit von 34 auf 38 Stunden erhöhen. Die Einstiegsgehälter sollen gar um 40 Prozent reduziert werden. Angeboten wird dafür eine Beschäftigungsgarantie bis 2011. Erfahrungen zeigen jedoch, daß bei einer solchen Vereinbarung nicht ausgeschlossen wäre, daß die "T-Service"-Tochterunternehmen schon nach wenigen Jahren weiterverkauft würden. Am 10. Mai hatten sich über 12.000 Beschäftigte der Telekom an einer Urabstimmung teilgenommen und sich mehrheitlich entschieden, auf diesen Angriff mit Streik zu reagieren. Ver.di bezeichnet die neueste Verschärfung des Konflikts von Seiten der Konzern-Führung als "Provokation". Bereits gestern kündigte die Telekom-Führung in ihrer Zentrale in Bonn an, die "Überführung" von 50.000 Arbeitsplätzen würde "nach Plan" bis zum 1. Juli stattfinden und zwar ungeachtet des Streiks. "Davon werden wir uns nicht abhalten lassen", so Finanzvorstand Karl-Gerhard Eick. Die Telekom-Führung rechnet offenbar fest damit, mit dem nun aufgefahrenen schweren Geschütz, Belegschaft und Ver.di in die Knie zwingen zu können. Denn die Konditionen bei T-Mobile und Vivento seien schlechter als das Angebot, das die Telekom in den gescheiterten Tarifverhandlungen vorgelegt habe. Vor allem fehlten der angebotene Härtefallfonds und der zugesagte Kündigungsschutz bis Ende 2011. Ver.di-Streikleiter Ado Wilhelm sieht die Eskalation der Konzern-Führung gelassen und weiß, daß der Vorstand dies "natürlich rechtlich tun kann". Die Überführung der Beschäftigten könne entsprechend der Drohung tatsächlich ohne die Zustimmung der Gewerkschaft durchgezogen werden. Diese Drohung sei "eine weitere Provokation", erklärt Wilhelm. "Die verschärfen jetzt den Konflikt", so Wilhelm weiter. Die Beschäftigten seien "höchst empört" über den brachialen Kurs der Konzern-Führung. Ver.di werde daher den Streik fortsetzen. Schon jetzt sei der Betrieb "ziemlich stillgelegt". T-Com-Vorstand Timotheus Höttges räumt spürbare Streikauswirkungen ein. Allerdings mildert die Konzern-Führung die Wirkung des Streiks durch den Einsatz von rund 3.500 "externen Dienstleistern", also von Leiharbeitern, die als Streikbrecher eingesetzt werden. Chronologie der bisherigen Streik-Wochen: 10.05.07 Urabstimmung über Streik bei Telekom 12.000 Beschäftigte der Telekom beteiligten sich an der Urabstimmung über einen Streik im Konflikt um die vom Konzern geplanten Entlassungen und Lohnreduzierungen. Am letzten Tag kam es bundesweit zu Protestaktionen und kurzen Warnstreiks. Ver.di setzt zu recht auf eine "außerordentlich große Streikbereitschaft". Die hatte die Konzern-Führung bereits am 3. Mai bei der Telekom-Jahreshauptversammlung zu spüren bekommen. Hunderte von Telekom-Beschäftigten hatten als BesitzerInnen von Mitarbeiter-Aktien teilgenommen und lautstark ihre Meinung kund getan. Als der Vorstandsvorsitzenden René Obermann in einer Rede mehrfach von der Notwendigkeit einer drastischen Senkung der Personalkosten sprach, gab es Zwischenrufe und ein Pfeifkonzert. Der Vorstand der Telekom hatte bereits im März angekündigt, über 50.000 Arbeitsplätze in neu zu gründende "T-Service"-Tochterunternehmen auszugliedern, um so die Löhne drücken und zugleich die Arbeitszeit verlängern zu können. Die Telekom will die Löhne um 9 Prozent senken und gleichzeitig die Wochenarbeitszeit von 34 auf 38 Stunden erhöhen. Die Einstiegsgehälter sollen gar um 40 Prozent reduziert werden. Angeboten wird dafür eine Beschäftigungsgarantie bis 2011. Erfahrungen zeigen jedoch, daß bei einer solchen Vereinbarung nicht ausgeschlossen wäre, daß die "T-Service"-Tochterunternehmen schon nach wenigen Jahren weiterverkauft würden. Laut ver.di laufen die Pläne der Telekom unter dem Strich auf Lohnkürzungen von 30 bis 40 Prozent hinaus. Diese Unternehmenspolitik ist keinesfalls ungewöhnlich und liegt ganz im Trend der Globalisierung. Es wäre grundfalsch, diesen Angriff als ein für den "normalen" Kapitalismus untypisches Moment verstehen zu wollen. Diese Entwicklung als "Entartung" des Kapitalismus und als Wirkung sogenannter Heuschrecken zu beschreiben, ist abwegig. Die Globalisierung ist lediglich eine konsequente Weiterentwicklung des Kapitalismus und seine finale Phase. 18.05.07
Telekom-Streik in der zweiten Woche
Die Telekom-Konzernleitung zeigte sich in den letzten 8 Tagen seit Beginn des Streiks1 unnachgiebig. Diese provokante Haltung brachte heute in München rund 2.500 Telekom-Beschäftigte - überwiegend aus Bayern - auf die Straße. 96,5 Prozent der Telekom-Beschäftigten hatten in der Urabstimmung für Streik gestimmt. Sie müssen nun zugleich Druck auf die eigene Gewerkschaftsführung ausüben, die sich bislang allzu kompromißbereit gezeigt hat. Der Streik richtet sich gegen die Pläne des Telekom-Konzerns, über 50.000 Arbeitsplätze in neu zu gründende "T-Service"-Tochterunternehmen auszugliedern, um so die Löhne drücken und zugleich die Arbeitszeit verlängern zu können. Die Telekom will die Löhne um 9 Prozent senken und gleichzeitig die Wochenarbeitszeit von 34 auf 38 Stunden erhöhen. Der baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger hatte zudem die Stimmung gestern aufgeheizt, indem er die Streikenden beschuldigte, sie würden "Telekom in Lebensgefahr" bringen. Tatsächlich jedoch hat die Privatisierung dazu geführt, daß Post und Telekommunikation immer weniger den Bedürfnissen der überwiegenden Mehrheit dienen, sondern an erster Stelle der Steigerung der Profite. Die Telekom wurde 1995 privatisiert und 1996 in eine Aktiengesellschaft (sogenannte Volksaktien) umgewandelt. Seitdem mußten die Beschäftigten schon insgesamt 18 Umstrukturierungsmaßnahmen über sich ergehen lassen, bei denen 120.000 Arbeitsplätze abgebaut wurden. Diese Arbeitsplätze gingen indirekt an Konkurrenzunternehmen, die zu weitaus schlechteren Konditionen einstellten. Nun wird den Telekom-Beschäftigten zynischerweise vorgehalten, ihre Beschäftigungsverhältnisse seien im Vergleich zu jenen "privilegiert". Während auch viele Telekom-AktionärInnen sich durch überzogene Versprechungen betrogen fühlten, sackten Vorstände und Aufsichtsräte astronomische Beträge ein. Zuletzt wurden vor vier Jahren die Arbeitszeit bei entsprechenden Gehaltseinbußen gekürzt und Urlaubs- und Weihnachtsgeld gekürzt beziehungsweise gestrichen. Viele Telekom-Beschäftigte hofften darauf, daß sie so ihre Arbeitsplätze sichern könnten. Ende April 2006 erwarb die Blackstone-Group, eine Investment-Gesellschaft, einen 4,5 Prozent-Anteil an der Deutschen Telekom. Vorbesitzer dieses Anteils war die bundeseigene Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Seitdem ist sie drittgrößte Aktionärin mit einem Sitz im Aufsichtsrat. Die Bundesrepublik Deutschland ist bei der Telekom und mit 14,83 Prozent direkt und mit 16,87 Prozent indirekt über die KfW beteiligt. Dieses "Engagement" einer Investment-Gesellschaft half, die gerne verbreiteten Theorien von der Gefahr von "Heuschrecken" aufzuwärmen. Verdeckt wird damit, daß der Angriff der Konzernleitung auf die Telekom-Beschäftigten keinesfalls ungewöhnlich ist und ganz im Trend der Globalisierung liegt. Verdeckt wird so zudem, daß nach wie vor die Bundesrepublik Deutschland größte Anteilseignerin der Telekom ist. Diese Einsicht darf allerdings nicht zu dem Fehlschluß verleiten, daß das Telekom-Management lediglich die Vorgaben aus Berlin ausführe. Umgekehrt: Sowohl die "schwarz-rote" Regierungskoalition als auch die beiden anderen neoliberalen Parteien im Deutschen Bundestag dienen uneingeschränkt den Interessen der großen Konzerne. Dies führt im Falle der Telekom allerdings zum selben Ergebnis: Die Bundesregierung wird sicherlich nicht im Interesse der Telekom-Beschäftigten eingreifen. Hinzugefügt werden muß, daß auch die von der Telekom ausgesetzten "Steikbrecherprämien" keine Novität mehr sind. Während diese Tendenzen von der Gewerkschaftsführung zurecht angeprangert werden, setzten Gewerkschaftsführer wie Ver.di-Chef Bsirske jedoch im Gegensatz zu ihren verbalradikalen Reden wie beispielsweise in München real auf einen Schmusekurs mit der Telekom-Leitung. So hat ver.di ein "Bündnis für Servicequalität" ins Leben gerufen, um im Interesse des KundInnen die Leistungen des Unternehmens zu verbessern. Auch der Auslagerung der Arbeitsplätze tritt ver.di nicht entgegen, wenn zugleich über Sozialpläne verhandelt werden soll. Auch an eine Ausdehnung des Streiks auf andere Telekommunikations-Unternehmen scheint für die Gewerkschaftsführung nicht in Frage zu kommen. So darf es nicht verwundern, wenn sich die Konzern-Leitung der Telekom vom Streik bislang nicht beeindruckt zeigt. Sie kann sich sicherlich besser als viele Menschen aus den unteren Zweidritteln der Gesellschaft, deren politische Einsichten von den Mainstream-Medien und von Deutschlands meinstverkauftem Toilettenpapier beeinflußt sind, daran erinnern, daß sämtliche Umstrukturierungsmaßnahmen in all den Jahren kaum auf nennenswerten gewerkschaftlichen Widerstand gestoßen waren. Vor sechs Jahren beispielsweise hatte die Gewerkschaftsführung dem neuen Lohnsystem zugestimmt, das erhebliche Verschlechterungen und eine Abkehr vom damals gültigen System des öffentlichen Dienstes mit sich brachte. Doch während die Gewerkschaften nur unter Druck die Interessen der Beschäftigten wahrnehmen und in Mainstream-Medien und von PolitikerInnen gegen die Streikenden gehetzt wird, ist die Sympathie der Bevölkerung groß: Im neuen ZDF-Politikbarometer sagten 77 Prozent, daß sie den Streik richtig fänden. Diese Sympathie war auch auf der Kundgebung in München sichtbar. So waren auch Angestellte der Universitäten, der Uniklinik München und anderer Einrichtungen und Unternehmen anwesend, um die Streikenden zu unterstützen. 24.05.07
Telekom-Führung verschärft den Konflikt
Aktuell verschärft die Konzern-Spitze den Konflikt, indem sie entgegen bestehenden Vereinbarungen versucht, 1.200 Telekom-Beschäftigte zu "Notfalldiensten" zu zwingen, da angeblich sonst die "Versorgung von Krankenhäusern und Polizei" nicht sichergestellt sei. Am gestrigen Mittwoch streikten erneut 15.000 Telekom-Beschäftigte. Der Streik richtet sich gegen die Pläne des Konzerns, über 50.000 Arbeitsplätze in neu zu gründende "T-Service"-Tochterunternehmen auszugliedern, um so die Löhne drücken und zugleich die Arbeitszeit verlängern zu können. Die Telekom will die Löhne um 9 Prozent senken und gleichzeitig die Wochenarbeitszeit von 34 auf 38 Stunden erhöhen. Kundgebungen und Demonstrationen gegen die Telekom-Pläne fanden in Berlin, Duisburg, Frankfurt a. Main, Mainz, Nürnberg, Oldenburg, Ravensburg und Schwerin statt. Unter anderem traten ParteipolitikerInnen auf, überbrachten "solidarische Grüße" oder forderten die Wiedereinrichtung einer "sozialen Marktwirtschaft". Manche versprachen auch, den Telekom-Vorstandsvorsitzenden René Obermann "auf den richtigen Weg zu bringen". Lucy Redler von der Berliner WASG wies zurecht darauf hin, daß die "schwarz-rote" Bundesregierung mit ihrer Telekom-Beteiligung von über 30 Prozent als größte Aktionärin durchaus direkt Einfluß nehmen könnte. Warum dies allerdings nicht zu erwarten ist, kam nicht zur Sprache. ParteipolitikerInnen müssen zwangsläufig die Illusion am Leben erhalten, im Parlament werde die Richtung der Politik bestimmt - und so wird peinlichst vermieden, Roß und Reiter zu unterscheiden. Zumindest eine Erkenntnis setzt sich jedoch allmählich bei den Telekom-Beschäftigten durch: Das jahrelange Nachgeben bei insgesamt 18 Umstrukturierungsmaßnahmen hatte nicht zum erhofften Erhalt, sondern zum Abbau von insgesamt 120.000 Arbeitsplätze geführt. Über 50.000 Arbeitsplätze sind nun bedroht. Nach eigenen Angaben hatte die Telekom-Führung in den vergangenen Tagen versucht, 1.200 Telekom-Beschäftigte zu "Notfalldiensten" zu zwingen, da angeblich sonst die "Versorgung von Krankenhäusern und Polizei" nicht sichergestellt sei. Ver.di habe dagegen die Beschäftigten aufgerufen, keinen Notdienst zu leisten, behauptete eine Konzernsprecherin. Laut ver.di hatte sich die Telekom jedoch nicht an die schriftlich vereinbarte Notdienstvereinbarung gehalten. Bei den geforderten Einsätzen habe es sich eindeutig um rechtswidrige Aktionen gehandelt, betonte Ado Wilhelm, Streikleiter der Gewerkschaft. Die Telekom reagierte mit Abmahnungen gegen Streikende, so daß letztlich die Gerichte über deren Rechtmäßigkeit zu entscheiden haben. Zurück zur Übersichtsseite 'Redebeiträge' Zurück zur HAUPTSEITE
|