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Sozialabbau und Managergehälter
Wenn sich schon Deutschlands meistverkauftes Toilettenpapier - das mit den vier Buchstaben - mit der Angelegenheit beschäftigt, muß es recht heftig in der Seele des deutschen Michel und seiner Klementine brodeln. Vor rund 10 Tagen wurde Siemens populistisch angeprangert - heute nun hat Siemens-Chef Klaus Kleinfeld von diesem Katheder herunter - oder besser: aus dieser Kloake heraus - verkündet, daß er auf die 30-Prozent-Erhöhung seines Salärs verzichtet. Dabei hatte vor wenigen Monaten erst die Deutsche Bank den selben Kommunikationsfehler gegangen - die meisten werden es schon wieder vergessen haben. Ebenso wie Siemens hatte die Deutsche Bank versehentlich zugleich exorbitante Gewinnsteigerungen und Stellenstreichungen verkündet. Von Siemens wurde nun bekannt, daß die Managergehälter um 30 Prozent erhöht und zugleich - allein in der Kommunikationssparte 2.500 Arbeitsplätze gestrichen werden. Und dann kam in den letzten Tagen auch noch die Insolvent von Ben Q hinzu. Nochmals 3000 Arbeitsplätze vor dem Aus. Porsche-Chef Wendelin Wedeking tönte da über seinen Kollegen: "Es ist nicht nachvollziehbar, wenn Konzerne Rekordgewinne melden und zugleich ankündigen, daß sie Tausende von Arbeitsplätzen streichen. Es muß uns doch zu denken geben, wenn Menschen vielen Wirtschaftsführern und Politikern keine Glaubwürdigkeit mehr zubilligen. (...) Diese Entwicklung kann dazu führen, daß unsere ganze Gesellschaft instabil wird." Der protestantische Bischof Wolfgang Huber: "Von der Wirtschaft erwarte ich etwas mehr Patriotismus und damit bewußte Verantwortung für das Gemeinwesen. (...) Ein patriotischer Unternehmer hält sein Unternehmen so leistungsfähig, daß es auch morgen und übermorgen ausreichend Arbeitsplätze hat." Der katholische Bischof von Trier, Reinhard Marx: "Eine maßlose Gehaltserhöhung wie bei Siemens ist angesichts von Massenentlassungen schon dreist. Wenn die Verantwortlichen der Wirtschaft nicht mehr das Gemeinwohl im Blick haben, sondern die Kapitalredite, wird das System inakzeptabel." Das System heiß Kapitalismus. Dessen einziges Kriterium ist die Profitmaximierung. Das war und ist seit Bestehen des Kapitalismus - also seit 200 Jahren - nicht anders. Wenn er zeitweise gebremst werden konnte, dann nur durch die Macht der Gewerkschaften, nicht durch Vernunft und gute Argumente. Doch je weniger Arbeitskräfte benötigt werden, um das System am Laufen zu halten, desto schwächer wird das Gegengewicht der "Bremser". Wenn also der Chef von Porsche und einige Schwarzröcke die Backen aufpusten und sich an die Spitze der Empörten setzen, haben sie entweder keine Ahnung von Wirtschaft oder es ist pure Heuchelei. Ich zitiere hier immer gern den Chef der Drogeriemarkt-Kette dm, Götz Werner: "Die Wirtschaft hat nicht die Aufgabe, Arbeitsplätze zu schaffen. Im Gegenteil. Die Aufgabe der Wirtschaft ist es, die Menschen von der Arbeit zu befreien. Und das ist uns in den letzten 50 Jahren ja auch grandios gelungen. (...) Kein Unternehmer fragt sich morgens, wenn er in den Laden kommt: Wie kann ich heute möglichst viele Menschen beschäftigen? Allein die Vorstellung ist schon absurd. Die Frage lautet umgekehrt: Wie kann ich mit einem möglichst geringen Aufwand an Zeit und Ressourcen möglichst viel (...) erreichen und möglichst viel Arbeit einsparen. Das ist ein absolutes unternehmerisches Prinzip." (Stuttgarter Zeitung vom 02.07.2005)
Wenn also die deutsche Seele kurz brodelt, dann allein, weil die Kommunikation schlecht war. Systemimmanent gesprochen: Die Herren müssen sich halt an die Regel halten, daß sie die Steigerungen im Umsatz und die Steigerung ihrer Managergehälter nicht gleichzeitig mit Entlassungen publik werden lassen, sondern immer um wenigstens einige Monate versetzt. Das ist Zynismus?
Seit Anfang 2005 ist Klaus Kleinfeld, Siemens-Vorstands-Chef - Nachfolger von Heinrich von Prierer. Die Siemens-Handy-Sparte wurde an Ben Q verkauft - Insolvenz: 3000 Arbeitsplätze vor dem Aus. Kleinfeld werden US-Management-Methoden nachgesagt. Auch bei DaimlerChrysler sägte bereits ein junger Aufsteiger namens Wolfgang Bernhard am Stuhl von Dieter Zetsche, dem Nachfolger Jürgen Schremps. Wolfgang Bernhard hat seine brachialen Methoden - ebenso wie Zetsche - in den USA gelernt. Nun räumt er bei VW auf und kündigt bereits Entlassungen in der Größenordnung von 18.000, 20.000, 30.000 Menschen an. Bei Siemens ist seit Anfang 2005 durchgesickert, daß der Abbau von 10.000 Stellen geplant ist - davon zwei Drittel in Deutschland. Im Bereich Siemens Business Services (SBS) wurden weltweit 5.400 Stellen gestrichen. Die danach noch 12.000 in Deutschland Beschäftigten sollen nun wöchentlich zwei Stunden mehr arbeiten und zugleich auf rund 10 Prozent des Lohns verzichten. Der Aufsichtsratsvorsitzende von Siemens, Heinrich von Pierer, rechtfertigte die üppige Erhöhung damit, daß die Bezüge der Vorstände im Vergleich mit anderen DAX-Unternehmen nur im unteren Mittelfeld lägen und die Top-Manager seit drei Jahren keine Gehaltserhöhung mehr erhalten hätten. Übrigens: Die 30 im Deutschen Aktienindex DAX notierten Unternehmen konnten ihren Profit von 2003 auf 2004 durchschnittlich um 88 Prozent steigern. Manche darunter sogar um über 100 Prozent. Verglichen mit dem Einkommen des Deutschen-Bank-Vorstandschefs Josef Ackermann, der es im letzten Jahr auf 11,9 Millionen Euro Jahreseinkommen brachte, nehmen sich die Bezüge von Siemens-Vorstandschef Klaus Kleinfeld mit 3,3 Millionen Euro und Pierers Einkommen mit 4,6 Millionen Euro tatsächlich "bescheiden" aus! Wir müssen uns klarmachen: Es geht da nicht um Entlohnung von Leistung, sondern um Belohnung von Skrupellosigkeit. Eigentlich ist das ein grandioser Beweis, daß es so etwas wie ein menschliches Gewissen tatsächlich gibt. Um es zu beschwichtigen - und das geht offenbar nur bei einer ganz engen Auswahl besonders hart gesottener Gauner - benötigen die Konzerne ganz einfach solch hohe Beträge. Der Chef der Deutschen Bank Josef Ackermann zählt laut einer schon nicht mehr ganz aktuellen Studie Studie zu den 25 bestbezahlten Managern in Europa. Mit 11,9 Millionen Euro belegt er Rang fünf wie das Wirtschaftsmagazin 'Fortune' berichtet. An der Spitze der Top 25 lag mit 12,4 Millionen Dollar der Chef Pharma-Konzerns Novartis, Daniel Vasella. Die Ränge zwei bis vier belegten der Mitte 2003 zurückgetretene Vodafone-Chef Chris Gent mit 12,3 Millionen Dollar, John Browne vom britischen Öl-Konzern BP mit 10,5 Millionen Dollar und der Chef des Pharma- und Agro-Konzerns Aventis, Igor Landau, mit 10,3 Millionen Dollar. (Nach der Fusion von Aventis mit Sanofi wurde Landau mit einer "Abfindung" von 24 Millionen Euro in den Ruhestand geschickt.) Zum Vergleich: Ein Regierungssprecher verdient im Jahr rund 140.000 Euro, Wolfgang Urban, Chef des KarstadtQuelle-Konzerns rund 1,6 Millionen Euro. Angela Merkel bekam - bevor sie Kanzlerin wurde - als Partei-Chefin und Vorsitzende der CDU-Fraktion im Bundestag 203.592 Euro. Jochen Zeitz, Chef von 'Puma' 2,5 Millionen Euro. ver.di-Chef Frank Bsirske 175.500 Euro und Bahn-Chef Hartmut Mehdorn 648.000 Euro. Eine Zahnarzthelferin rund 14.400 Euro und der Vorstandsvorsitzende der Kassenärtzlichen Vereinigung Bayern, Axel Munte 179.000 Euro. Also: Diese eklatanten Unterschiede können nicht durch Unterschiede in der Leistung begründet werden. Kein Mensch kann tausendmal mehr als ein Durchschnittsmensch leisten. Wenn wir das nicht stoppen, bringt uns dieses System mit absoluter Sicherheit den Tod. Lang geht dieser Wahnsinn nicht mehr gut.
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