MONTAGS-DEMO FREIBURG
Redebeiträge vom 14.08.06

Schikanen gegen Erwerbslose

Es wurden exemplarisch zwei Fälle vorgestellt. Die Texte folgen hier direkt nacheinander:

Abschreckung

Wenn ich das gewusst hätte, vielleicht hätte ich mich abschrecken lassen. Und das, glaube ich, ist gewollt.

Nach einem Auftrag als Softwaretrainerin im Februar konnte ich mich von ALG-2 verabschieden, was sich richtig klasse anfühlte. Endlich einmal konnte ich mich wieder alleine versorgen. Ich hoffte natürlich auf Folge- oder neue Aufträge, was sich leider nicht bewahrheitete. Den neuerlichen Gang zur Arbeitsgemeinschaft zog ich, solange wie es irgend ging, hinaus. Das sollte sich aber als Fehler herausstellen.

Am Montag, den 25. Juni 2006, war es dann soweit, ich musste mich wieder arbeitslos melden. Ich war so mit dem Gefühl von neuerlicher Abhängigkeit beschäftigt, dass ich leider keinen Gedanken daran verschwendete, es könnte sich an den Bedingungen etwas verschärft haben. Ich wurde eines besseren belehrt. Der Gang zur Theke und das Zugewiesenwerden zu einem ersten Mitarbeiter waren so wie vor zwei Jahren auch, als mein ALG-1-Anspruch auslief und ich ALG-2 beantragen musste. Doch dann wurde mitgeteilt, dass ich nicht sofort das Formular zur Antragstellung ausgehändigt bekommen würde. Ich müsse zuerst eine Einnahme-/Ausgabenübersicht über eben die letzten Monate meiner Selbständigkeit abgeben. Mein Einwand, dass ich über meinen vorhin erwähnten Auftrag sowieso jedes Mal eine Kopie der jeweiligen Rechnung hatte abliefern müssen, wurde mit dem Standardargument abgetan: "Das ist so Vorschrift. Sonst bekommen Sie das Antragsformular nicht." Diese Stelle war übrigens die neu geschaffene Stelle des sogenannten Profilings. Sie entschied darüber, welcher Mitarbeiter künftig für mich zuständig sein sollte.

Ich zog also ab, um diese Übersicht zu erstellen und nach vier Tagen wieder aufzutauchen. Dieses Mal wurde ich einem älteren Herren zugeteilt, dessen Funktion mir nicht mitgeteilt wurde. Er selbst tat es auch nicht. Als ich meine Unterlagen ihm hinüberreichte, war er mindestens 15 Minuten damit beschäftigt, irgendwelche Dinge in den Computer einzugeben. Freiwillig bekam ich darüber keine Auskunft. Ich entschied mich, nicht danach zu fragen. Anschließend schickte er mich ein Stockwerk höher zu einem Mitarbeiter, dessen Funktion mir wiederum nicht mitgeteilt wurde.

Ich trabte nach oben, wartete wieder. Erstaunlicherweise musste ich nicht lange warten. Dieser Mitarbeiter nun - ich vermute, er ist mein Kundenbetreuer oder seit neuestem glaube ich, Fallmanager - überhäufte mich mit Vorschriften, Maßnahmen, Papieren. Zuerst verstand ich bloß, auch hier und jetzt bekomme ich immer noch kein Antragsformular. Es schien mit jedem Besuch noch wertvoller zu werden....

Dann jedoch kristallisierte sich heraus, dass ich zwar den Antrag bekommen würde, aber ich müsse eine Woche lang vier Stunden am Tag eine Schulung bei der IHK besuchen, um diesen Antrag auszufüllen. Dies sei ab März 06 neue Vorschrift. Ich konnte diese Woche um einen Tag herunterhandeln, weil ich im Juli einen befristeten dreiwöchigen Job hatte, den ich natürlich termingerecht antreten wollte. Und dieser hätte mit dem Abgabetermin des Antrages nach einer Woche kollidiert.

Ich zog also ab, ausgerüstet mit dem so heiß begehrten Antrag, der Info für die IHK, der Verpflichtung mich am nächsten Tag dort umgehend zu melden und der Auflage eine Woche später mit allen Belegen und einem ausgefüllten Antrag wieder bei ihm zu erscheinen.

Der nächste Tag war ein Montag, an dem ich bei der IHK mich meldete. Meine Frage nach dem Inhalt und der Struktur des Kurses wurde vage beantwortet. Es sei kein strikter Plan vorhanden, es gäbe Hilfe beim Ausfüllen des Antrages. Am nächsten Tag betrat ich den gleichen Raum, ein Raum mit Tafel, circa 20 Computerplätzen, zwei Dozenten. Kurz nach der obligatorischen Begrüßung kam schon der Satz: "Eine rechtsverbindliche Beratung können wir Ihnen nicht geben." Bei mir verdichtete sich der Verdacht, es handele sich hier schlicht um wahrscheinlich gut bezahlte Erfüllungsgehilfen der ARGE.

Leider bestätigte sich in den nächsten Tagen meine Vermutung. Zwar klapperten die beiden Betreuer alle Teilnehmer brav ab und kontrollierten den Antrag auf Richtigkeit und vor allen Dingen auf Vollständigkeit. Aber jegliche Frage danach, ob etwas überhaupt nötig oder rechtlich in Ordnung sei, wurde abgeschmettert mit der Begründung: "Sie müssen alles ausfüllen. Hier kommen immer wieder Teilnehmer an, die Dinge vergessen oder nicht ausgefüllt haben und dann diese nachreichen müssen. Und außerdem sagten wir ganz zu anfangs, dass wir keine rechtsverbindlichen Auskünfte geben können." Auf meinen Einwand, dass es beispielsweise eben strittig sei und es entsprechende Urteile gebe, nur im begründeten Zweifelsfall Kontoauszüge der letzten drei Monate lückenlos nachzureichen, kam erneut die Antwort: "Sie müssen das ausfüllen. Mehr können wir dazu nicht sagen. Seien Sie kooperativ."

Nach einem Nachmittag war ich mit dem Ausfüllen des Antrages fertig. Die Belege musste ich sowieso zu Hause zusammen suchen. Dann blieb nur noch, das sogenannte Papier der Profildaten auszufüllen. Im Grunde genommen ist das ein Lebenslauf und ein Bewerbungsanschreiben in einem. Da ich meine Daten natürlich nicht im Kopf und sowieso eine komplette Bewerbungsmappe zu Hause hatte, hob ich mir diese Aufgabe für den nächsten Tag auf.

Am gleichen Tag wurde allen Teilnehmern noch die Möglichkeit vorgestellt, einen Lebenslauf am Computer zu erstellen, wenn man noch keinen hatte. Weil man nämlich zu diesen Profildaten auch eine Kopie eines Lebenslaufes und aller Zeugnisse abgeben sollte. Zufällig saß ich an diesem Tag neben einer Frau, die noch nie mit dem Computer gearbeitet hatte. Weder wusste sie, was ein Doppelklick war, noch eine Tabelle, geschweige denn den Unterschied zwischen Zeichen- und Absatzformatierung.

Ohne die sehr intensive Hilfe ihres Bekannten hätte diese Frau es während des ganzen Kurses nicht geschafft, einen Lebenslauf zu erstellen. Auf der Strecke blieb die Möglichkeit, für Totalanfänger eine kurze Computereinführung zu geben.

Am zweiten Tag erklärte der diensthabende Dozent allen Anwesenden die Berechnungsgrundlage des ALG-2. Er betonte sehr und mehrmals, wie viel Geld man doch bekomme, mehr als bei oft schlecht bezahlten Jobs. Dies veranlasste eine Teilnehmerin zu Widerspruch, eine reguläre Arbeit wäre ihr viel lieber als die Hand aufhalten zu müssen. Er tat dies ab, dass sie sich nicht darüber im Klaren sei, wie hoch doch der Betrag wäre. Auch als andere Teilnehmer sich einmischten, leugnete er rundweg, dass es sehr demütigend sein kann, ALG-2 beantragen zu müssen.

Wie wenig Kompetenz, von Fingerspitzengefühl ganz zu schweigen, dieser Mitarbeiter der IHK hier zeigte, wird noch erschreckender, wenn man weiß, dass ich kurz vorher ein erhellendes Gespräch zum gleichen Thema hatte. Er versuchte mir nämlich ebenso, den Bezug von ALG-2 mehr als schmackhaft zu machen und erzählte mir dann, wie gern er Hartz-4 beziehen würde. Aber er könne nicht. Auf mein erstauntes Nachfragen, warum dem so sei, antwortete er, er habe eine Schenkung erhalten und müsse jetzt von dieser leben. Es war ihm völlig unerklärlich, wie ich dies in Ordnung finden konnte.

Dieses Detail zeigt deutlich, mit welch ungeschultem Personal hier ja wohl ganz bewusst die Antragssteller von ALG-2 konfrontiert werden.

Danach hatte ich für diesen und alle folgenden Tage das Problem, nicht zu wissen, was ich tun sollte. Es ist sicherlich richtig, dass manche Menschen Hilfe in dem brauchen, dass ihnen jemand sagt, dass sie und welche Papiere sie nachweisen müssen. Aber dass das ausgerechnet bei der IHK geschehen muß, drängt einem doch sehr den Verdacht auf, hier sollen Menschen abgeschreckt werden. Warum sonst wurde diese Dienstleistung nicht an die Friga oder Goethe-2 vergeben, jeweils Institutionen, die nicht nur seit vielen Jahren kompetent, sondern auch rechtsverbindlich beraten?

Am Freitag der gleichen Wochen konnte ich ausnahmsweise meinen Antrag abgeben, weil ich ab Montag der nächsten Woche, wie vorhin erwähnt, einen befristeten Job hatte. Ich machte mich also morgens vorstellig bei meinem neuen Kundenbetreuer. Ich war gespannt darauf, weil ich mit einer Formulierung des Eingliederungsvertrages nicht einverstanden war.

Darin hieß es nämlich, dass ich zu einem Coachingunternehmen solle, das die Aufrechterhaltung meiner, wohlgemerkt schon lange bestehenden, Selbständigkeit überprüfen sollte. Per eMail reagierte ich umgehend und bat, doch die tatsächliche Absprache hier korrekt wiederzugeben, nämlich dass es um eine mögliche Optimierung meiner Selbständigkeit geht. Dies per eMail zu klären, war leider nicht möglich.

Diese Änderung in meinem Eingliederungsvertrag war dann letztlich kein Problem, wenngleich der Mitarbeiter mir die Antwort schuldig blieb, warum nicht gleich korrekt formuliert worden. Dann schickte er mich in den entsprechenden Wartebereich, um meinen Antrag der wiederum entsprechenden ARGE-Mitarbeiterin zu übergeben.

Während ich wartete, kam ich mit einer Frau ins Gespräch, die mir erzählte, ihr Arbeitsbetreuer hätte ihr angeraten, doch ihren Lebenspartner zu heiraten. Dann hätte sie die Probleme los und die ARGE müsste nicht für sie zahlen. Ich glaubte ihr unbesehen.

Nach ungefähr einer Stunde kam plötzlich mein Kundenbetreuer die Treppe herunter, offensichtlich um mich zu fragen, warum ich denn noch hier warten würde. Auf meine hilflose Antwort, ich wäre noch nicht aufgerufen worden, entgegnete er, ich würde im falschen Wartebereich sitzen. Entnervt suchte ich den richtigen, um dann festzustellen, dass dieser nur 10 (!) Schritte vom falschen entfernt ist. Kurz darauf wurde ich endlich aufgerufen. Die entsprechende Mitarbeiterin empfing mich mit der Begrüßung, wo ich denn gewesen wäre. Als ich antwortete, ich hätte irrtümlicherweise im Wartebereich nebenan gesessen, bekomme ich tatsächlich entgegnet, dass sie dahin nicht auch noch gehe, so oft wie dies am Tag vorkomme. Als ich noch einzuwenden wagte, dass dies für sie nur einen Aufwand von 10 ganzen Schritten (ich habe nachgemessen!) bedeuten würde, schlägt ihre Stimmung merklich um, aber sie sagt nichts. Ich war und bin entsetzt, dass dies möglich und wie rüde der Ton zwischenzeitlich geworden ist. Dieses Detail drückt für mich mehr als alles andere die vorhin angesprochene demütigende und entwürdigende Behandlung aus, denn einen Umgang kann man dies wahrlich nicht nennen, ganz zu schweigen von einem kundenfreundlichen.

Bei der Prüfung der vorzulegenden Unterlagen wird es dann noch richtig nett. Als es um die Kaltmiete geht, fragt sie, sichtlich konsterniert, dass im Computer von meinem letzten Antrag im Jahre 2005 ein anderer Mietbetrag, nämlich um 20 Euro weniger, eingetragen wäre. Wir überprüfen meine Angaben noch einmal und sie muß feststellen, dass meine Angaben stimmen, also hier wohl ein Fehler seitens der ARGE vorliege. Wie das denn sein könne, dass ein monatelanger korrekter Betrag auf einmal geändert werde? Sie hat darauf keine Antwort und mir geht blitzartig durch den Kopf, dass ich jeden Monat das ALG-2 überprüfen müßte.

Wohlgemerkt, diesen Fehler bekommt normalerweise kein ALG-2-Antragsteller zu sehen, denn der Bescheid der ARGE weist den Warmmietebetrag aus und nicht den der Kaltmiete. Sie verspricht mir, dies zu prüfen. Falls ich binnen einer Woche nichts höre, wären meine Unterlagen vollständig....

Nach einer Woche höre ich doch etwas, allerdings anders als erwartet. Zwar werden von der Mitarbeiterin der Leistungsabteilung fehlende Unterlagen moniert, aber ich verstehe spätestens jetzt gar nichts mehr. Ausdrücklich hatte ich die Dame bei der Antragsannahme darauf hingewiesen, dass mein Steuerbescheid 05 noch beim Finanzamt wäre, dass ich stattdessen die entsprechende Einkommensübersicht aber beigefügt hätte und ebenso einen Einkommensübersicht über die Monate diesen Jahres Februar bis Juni. Mehr konnte ich nicht tun.

Ich bin mehr als konsterniert und bitte energisch sowohl meinen Kundenbetreuer als auch die Leistungsabteilung um Unterstützung. Schließlich wurde mir mit gleichem Schreiben erschreckenderweise mitgeteilt, dass ich ohne Bewilligungsbescheid nicht krankenversichert sei, ergo meine Kinder auch nicht, und wenn ich nicht binnen 10 Tage diesen Steuerbescheid anbringe, verfalle mein Antragsanspruch!

Nach zwei Tagen bekomme ich Antwort von meinem Kundenbetreuer, der sich offensichtlich darum kümmert. Unter Vorbehalt des laufenden Prozesses vor dem Landessozialgericht Stuttgart (das ist eine andere Geschichte), würde mir die Bewilligung ausgestellt werden, - wenn, ja und nun kommt es: wenn ich die schriftliche Bestätigung meines Jobs einreichen würde.

Ich bin völlig verwirrt. Schon bei der Antragstellung teilte ich mit, dass ich in den ersten drei Juliwochen einen Job hätte. Warum wird jetzt auf einmal davon die Bewilligung meines Antrages abhängig gemacht? Davon war erstens nie die Rede, und zweitens aufgrund welcher Rechtslage kann hier die Bewilligung davon abhängig gemacht werden?

Wieder schreibe ich eine ePost mit entsprechendem Inhalt. Außerdem bitte ich meinen Kundenbetreuer, seinen Chef von diesen Vorgängen in Kenntnis zu setzen. Dies wirkt offensichtlich. Nach ein paar Tagen bekomme ich wiederum von ihm Antwort, dass mein Bewilligungsschreiben unterwegs sei.

Zum Schluß sei noch gesagt, dass ich kurz darauf eine Antwort des stellvertretenden Leiters der ARGE erhielt, mit der Aussage, mein Antrag wäre doch schnell bearbeitet worden. Auf die inhaltlichen Vorwürfe reagiert er überhaupt nicht.

Barbara Szudarek

 

Blinder als Erntehelfer

"Sie wollen Ihre Situation verbessern? Die Landwirtschaft bietet Ihnen dazu gute Möglichkeiten."

So lauteten die ersten beiden Sätze eines Briefes, den Stefan B. von der Agentur für Arbeit erhielt. Der Arbeitslose aus einer Umlandgemeinde von Freiburg stutzte, denn er ist seit Geburt blind. Ein Anruf bei dem Sachbearbeiter, der auf dem Schreiben als Kontaktperson genannt wurde, brachte Aufklärung. Dieses Angebot sei nicht für Schwerbehinderte gedacht.

Der Brief unter der Überschrift "Chance erkennen - Chance nutzen" suggerierte dem arbeitslosen Akademiker Sefan B. einen Tariflohn und zusärtliche Prämien. "Beides hatte ich noch nie", sagt er. Als er dann bei der Arbeitsagentur nachhakte, habe ihm der Mitarbeiter der Arbeitsagentur Freiburg mitgeteilt, daß das Problem bei der Software liege.

Man könne den Verteiler für Kettenbriefe nicht filtern und somit erhielten alle Langzeitarbeitslosen dieses Rundschreiben. Auch diejenigen, die als Helfer in der Landwirtschaft gar nicht in Frage kämen.

"Wir bedauern das audrücklich", sagt Hanspeter Fakler, Pressesprecher der Agentur für Arbeit. Der Brief sei als Werbemaßnahme für die Arbeit des Erntehelfers verschickt worden und sei kein Vermittlungsvorschlag gewesen. "Durch ein Versehen" sei bei der Auswahl der Adressaten in der Software vergessen worden, "ein Häkchen bei den Schwerbehinderten zu entfernen. Somit hätte diese Personengruppe den unter "Marketing-Gesichtspunkten" verschickten Kettenbrief nicht erhalten sollen.

Der Darstellung von Stefan B. widersprach er aber: "Wir können in der Software nach bestimmten Kriterien filtern", erklärt er.

Für Stefan B., der Musikwissenschaft, Lateinische Philologie des Mittelalters und Germanistik studiert hat, waren dies nicht die ersten unangenehmen Erfahrungen mit der Arbeitsagentur.

Im Januar 2004 habe ein Berater der Arbeitsagentur im Rahmen einer Gruppenberatung zu ihm gesagt: "Wissen Sie, andere arbeitslose Akademiker müssen jetzt Taxi fahren."

Ein Jahr später nahm er an einem Bewerbertraining teil. Obwohl vor der Veranstaltung bereits bekannt gewesen sei, daß zwei Drittel der Teilnehmer sehbehindert sind, sei das Bewerbertraining mit einer Powerpoint-Präsentation durchgeführt worden. Weitere Unterlagen seien erst nachträglich übermittelt worden.

Als "geschmacklos" bezeichnet Stefan B. den Umgang der Arbeitsagentur mit Schwerbehinderten. Dies fange schon damit an, daß es keinen Fußgängerüberweg in der Lehenerstraße, in der sich die Arbeitsagentur befindet, gebe. Zudem gebe es im Haus einige "Blindenfallen", wie etwa verglaste Aufzugtüren und Hinweisschilder, die über Kopfhöhe hingen. Diese seien von sehbehinderten Menschen kaum wahrzunehmen.

Pressesprecher Hanspeter Fakler erklärte hierzu: "Die Hauptagentur und die Nebenstellen sind barrierefrei." So könnten die Behinderten in der Regel ohne fremde Hilfe das Beratungsgespräch aufsuchen. Die Beratungsgespräche würden von eigens ausgebildeten Rehabilitationsberatern vorgenommen werden. Diese hätten neben der Vermittlungsdatenbank noch Rehabilitationsakten zur Verfügung, in denen etwa arbeitsmedizinische Gutachten abgelegt seien. "Die Vorbereitung auf ein Reha-Beratungsgespräch gestaltet sich naturgemäß umfangreicher", sagt Hanspeter Fakler.

"Die Mitarbeiter der Arbeitsagentur waren durchweg nicht oder schlecht vorbereitet", berichtet dagegen Stefan B.. Im Januar erhielt er, nachhdem er einen Antrag zur Erstattung von Bewerbungskosten eingereicht hatte, eine Einladung von der Arbeitsagentur. Man wolle mit ihm über seine "berufliche Zukunft" sprechen.

Also engagierte Stefan B. für diesen Vormittag auf eigene Kosten einen Behindertenbegleiter und begab sich auf den Weg zur Arbeitsagentur nach Freiburg. Dort sei er von einem Berater, dessen namen er erst vor Ort erfahren habe, mit folgenden Worten begrüßt worden: "Sie hätten eigentlich nicht kommen brauchen, das häten wir alles am Telefon oder schriftlich erledigen können. Erst nachdem ich Sie habe einladen lassen, merkte ich, daß Sie schwerbehindert sind."

Außer der Erledigung von "Routineformalien" habe Stefan B. in dem Gespräch nichts neues erfahren. Er spricht von "sinnlosen Besuchen, die nichts bringen."

Wenn ein Berater aus dem Hochschulteam der Arbeitsagentur sich bei ihm melden würde, wäre er gerne bereit, den Weg nach Freiburg auf sich zu nehmen. "Eine Beratung durch das Hochschulteam scheint unmöglich", sagte er.

Pressesprecher Hanspeter Fakler bestätigt auf Anfrage, daß schwerbehinderte Akademiker von der "Reha-Abteilung" und nicht vom Hochschulteam betreut würden. "Die Teams sind untereinander vernetzt, so daß die Arbeitsvermittler aus dem Hochschulteam automatisch auch auf Bewerber im Reha-Team zugreifen können", teilte Fakler mit.

Vielleicht erhält Stefan B. doch noch Post vom Hochschulteam der Arbeitsagentur. Dann könnte er zumindest ausschließen, daß ihn die Arbeitsagentur als Erntehelfer werben will.

 

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