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Hartz IV und die Interessen der Wohlfahrtsverbände
Vor kurzem habe ich hier an dieser Stelle vorgetragen und widerlegt, welche Falschinformationen der Fraktionsvorsitzende der Union im Deutschen Bundestag, Volker Kauder in einem Interview mit der 'Süddeutschen Zeitung' ungehindert verbreiten konnte. Er bezog sich - fälschlich - auf einen aktuellen Bericht des Bundesrechnungshofes. Nur wenige Tage darauf legte der neue SPD-Vorsitzende Kurt Beck nach und behauptete - seinerseits ohne die geringsten Beweise oder auch nur irgendeine Statistik vorweisen zu können - einen Mißbrauch von ALG II. Von allen Seiten ist von einer "Kostenexplosion" die Rede. Wie Oskar Lafontaine - ausnahmsweise einmal korrekt - in die Öffentlichkeit brachte, ist diese angebliche Kostenexplosion eine Lüge. Sie basiert auf Rechentricks. Einsparungen durch Hartz IV wurden einfach unterschlagen. Für Hartz IV wurde im vergangenen Jahr eben mal 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausgegeben. 2006 werden es rund 2,1 Prozent sein. Nun kommen auch noch die Spitzenmanager dreier Wohlfahrtsverbände daher und bekräftigen die doch bereits widerlegten Lügen. Langzeitarbeitslose werden von ihnen en bloc verdächtigt, sich Leistungen zu erschleichen. Das grundlegende Problem, daß schlicht und einfach keine neuen Arbeitsplätze geschaffen werden, unterm Strich jedenfalls nicht, bleibt ausgespart. Weiter wird auch in Zukunft die Gesamtsumme der gesellschaftlich benötigten Arbeit sinken und nicht etwa wieder ansteigen. Da helfen keine Patentlösungen - wie wir von den PolitikerInnen selbst immer hören - UND keine Scheinlösungen. Die vorhandene Arbeit muß gerecht verteilt werden. Es ist Irsinn, wenn einerseits Menschen drangsaliert werden und 38, 40, 42 Stunden pro Woche arbeiten müssen und 7 Millionen werden künstlich in Arbeitslosigkeit gehalten. Die Spitzenvertreter von Diakonie, DRK (Deutsches Rotes Kreuz) und AWO (Arbeiterwohlfahrt) - ja, von der AWO! - fordern in einem gemeinsamen offenen Brief, den Kreis der Anspruchsberechtigten auf die "tatsächlich Bedürftigen" einzuschränken. Was bewegt diese Herren - statt Partei für die Langzeitarbeitslosen zu ergreifen - nach weiteren Verschärfungen der Hartz-IV-Gesetze zu rufen? Es sind ganz offensichtlich die 1-Euro-Jobs, die für alle Wohlfahrtsverbände zu einem lukrativen Geschäft geworden sind. Die 1-Euro-Jobber sind extrem billige Arbeitskräfte - übrigens nicht nur für die Wohlfahrtsverbände, auch hier in Freiburg profitiert beispielsweise das Mobile davon! Insofern sind eine ganze Reihe von Verbänden nicht frei von Eigeninteressen! Sie helfen so dabei mit, den Einstieg in die Zwangsarbeit zu ebnen. Beachtlich ist allerdings auch, daß sich zahlreiche regionale Diakonische Werke deutlich von ihrem Spitzenmann Jürgen Gohde distanziert haben. Auch der Deutsche Caritasverband trat seinem Spitzenmann kräftig vors Schienbein. In einer aktuellen Pressemitteilung erklärte der Deutsche Caritasverband die Idee als irrig, man könne Langzeitarbeitslosigkeit durch schärfere Sanktionen bekämpfen. Und der Paritätische Wohlfahrtsverband (der nicht zu den erstgenannten Dreien dazugehörte), forderte darüber hinaus, den empfohlenen Sozialhilfe-Regelsatz von 345 Euro um 20 Prozent zu erhöhen. Für ein Kind steht dabei sage und schreibe 86 Cent monatlich für Spielsachen zur Verfügung, 1 Euro 76 Cent monatlich für Schulsachen! Und jede und jeder mit Kindern weiß, was heutzutage von "Lehrmittelfreiheit" zu halten ist.
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