MONTAGS-DEMO FREIBURG
Redebeitrag vom 28.02.05

Sozialabbau auch an der Uni-Klinik Freiburg
Uta Spöri

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Freundinnen und Freunde,
liebe Freiburgerinnen und Freiburger,

ich stehe hier als Vertreterin des globalisierungskritischen Netzwerkes attac, aber auch als Gewerkschafterin und als Beschäftigte der Uniklinik Freiburg.

Die Uniklinik Freiburg ist aus der Tarifgemeinschaft Deutscher Länder ausgestiegen, uns Beschäftigten drohen absolut verschlechterte Arbeitsbedingungen.

Der Ersatz des BAT durch das neue Tarifwerk TVöD gilt für Bundes- und Gemeinde-Angestellten, die Gehaltserhöhung ist eine Farce, die Arbeitszeit steigt Westen von 38.5 auf 39 Wochenstunden diverse "Öffnungsklauseln" sichern auch solche Regelungen nicht dauerhaft ab, sodaß viele Beschäftigten dieser Bereiche reichlich sauer sind.

Gleichzeitig ist die Front von vielen Millionen Beschäftigten im Öffentlichen Dienst damit aufgesplittert, für die Länder und auch die Uniklinik muß ein neuer Tarifvertrag ausgehandelt werden, der mit diesen Vorgaben kaum besser sein wird.

Die beamteten Kollegen arbeiten hier schon seit Beginn des Jahres 2004 41 Stunden in der Woche.
Ebenso alle Arbeiter und Angestellten, die seit 1. Mai letzten Jahres einen Arbeitsvertrag unterzeichnet haben, und das sind aufgrund der Unzahl befristeter Arbeitsverhältnisse sehr sehr viele, auch diese Kolleginnen und Kollegen arbeiten 41 Wochenstunden mit gestrichenem Urlaubsgeld und reduziertem Weihnachtsgeld.

Die Einführung der 41-Stundenwoche bedeutet für einen Betrieb wie die Uniklinik den mittelfristigen Abbau von rund 500 Vollzeitstellen beziehungsweise entsprechend noch mehr Teilzeitstellen.

Unter diesem Druck werden unsere weiteren Tarifverhandlungen stehen, unter diesem Druck werden wir Kolleginnen und Kollegen an der Uniklinik Freiburg um angemessene Bedingungen massiv kämpfen müssen!

Aber nicht nur deshalb stehen wir hier!
Das Programm des Sozialabbaus mit Hartz IV, Agenda 2010, die angebliche "Gesundheitsreform" mit DRGs und Kostenbelastungen für die Patienten genauso wie die Beschneidung der Tarifrechte sind Bestandteil einer bundesweiten Politik, und genau diese Politik wird auch in ganz Europa, teilweise weltweit betrieben!

Zu dieser Politik gibt es keine Alternative, sagt Bundeskanzler Schröder und verstärkt damit die Denkblockade in seiner Partei und darüber hinaus.

Wir aber sind hier versammelt, weil wir uns keine Denkverbote auferlegen lassen, weder von Schröder noch von Merkel noch von Westerwelle.

Wir sind hier, weil wir Alternativen zur Politik des neoliberalen Mainstreams sehen und diese gemeinsam auch durchsetzen wollen.

Kann es denn wahr sein, dass es keine Alternativen zu einer Politik gibt

- die nach Einschätzung des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes durch die Einführung von Hartz IV die Anzahl der Menschen, die unter die Armutsgrenze fallen, von 2,8 auf 4,5 Millionen erhöhen wird

- die zulässt, dass Arbeitslose wegen Verdacht auf Missbrauch auch durch Hausbesuche kontrolliert werden, während es andererseits kein Problem bereitet, daß jährlich Milliarden Steuern hinterzogen werden.
Durch sogenannten Sozialmißbrauch verliert der Staat laut Caritas Beträge in Höhe von 120 Millionen, durch Steuerhinterziehung jedoch 65 Milliarden

- zu einer Politik, die befördert, dass die hundert größten Konzerne seit Jahren keinen müden Euro Gewerbesteuer bezahlen mit Ausnahme von DaimlerChrysler, der inzwischen selbst ankündigen und bestimmen kann, ob er Steuern bezahlt oder nicht, während es den Kommunen hinten und vorne an Geld für Ganztagsplätze, Schulrenovierungen, Jugendhilfe, öffentlichem Personennahverkehr und vielem anderen mehr fehlt

- zu einer Politik, die der Pharmaindustrie höhere Gewinne zuschanzt, während der kleinen Verkäuferin, den Rentnern oder den Arbeitslosen mit Praxisgebühren und Zuzahlungen das Geld aus der Tasche gezogen wird

Es soll keine Alternativen geben zu einer Politik, die behauptet

- es wäre kein Geld da und die es zulässt, dass Deutschland als einzige Industrienation neben Österreich es sich leisten kann, auf eine Vermögensteuer zu verzichten

- die es sich leistet, in einer mehrstufigen Steuerreform dem Einkommensmillionär 67.000 Euro Steuerentlastung hinterher zu werfen, fast das Doppelte des Jahresverdienstes einer Krankenpflegerin, Erzieherin oder Verkäuferin ?

Wir sollen glauben

- dass mit Lohn- und Gehaltssenkungen, dem Ausbau eines Niedriglohnsektors, niedrigerem Arbeitslosengeld, der Absenkung der Renten, die Wirtschaft wieder in Schwung kommen würde, weil dadurch angeblich die Nachfrageschwäche beseitigt würde

Wir sollen glauben,

- dass die Arbeitslosigkeit nicht dadurch beseitigt wird, dass neue Arbeitsplätze geschaffen werden, sondern dass den Arbeitslosen Geld weggenommen und der Druck auf sie erhöht wird

- wir sollen glauben, dass es neue Jobs gibt, wenn wir länger arbeiten, obwohl gleichzeitig klar ist, wie viele Stellen damit eingespart werden sollen

- es soll uns einleuchten, dass unsere Arbeitsplätze sicherer sind, wenn man uns durch die Aufweichung des Kündigungsschutzes leichter rauswerfen kann

- wir sollen uns auch nicht darüber empören, dass diejenigen Manager wie der Deutsche Bank-Chef Ackermann, der sein Jahresgehalt im letzten Jahr von 7 auf 12 Millionen steigern konnte, oder Herr Esser, der Abfindungen von über 50 Millionen Euro für völlig normal hält, daß diese Herren gleichzeitig erklären, daß die Arbeitnehmer, die Erwerbslosen, die Rentner, die Sozialhilfeempfänger über ihre Verhältnisse leben und deshalb Löhne und Gehälter und Sozialleistungen gekürzt und Arbeitszeiten schnellstens verlängert werden müssen.

Es ist doch besonders perfide und empörend, dass das Überleben des Wirtschaftsstandortes Deutschland davon abhängig sein soll,

dass die ohnehin schon Benachteiligten und um ihre Existenz kämpfenden Menschen in noch größere Not gestürzt werden, während es kein Problem ist, wenn andererseits Milliarden auf den internationalen Finanzmärkten und Börsen oder bei Welt-AG-Plänen verbrannt werden.

Es gibt genug Reichtum, das Geld ist nur falsch verteilt!

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Freundinnen und Freunde,
liebe Freiburgerinnen und Freiburger,

so lesen wir jeden Tag in den Kommentaren fast aller Zeitungen, hören es im Radio oder sehen es im Fernsehen:

wir nähmen einfach die Wirklichkeit der globalisierten Märkte nicht zur Kenntnis,
wir hätten keine neuen Ideen und wären einfach nicht bereit,
uns auf den Boden der heutigen Realität zu stellen.

Wenn die freien Märkte voll zur Entfaltung kämen und die Lohn- und Lohnnebenkosten sinken, die Arbeitszeiten steigen, wenn die Sozialsysteme gestutzt würden, dann bekämen wir wieder wirtschaftlichen Aufschwung und einen Rückgang der Arbeitslosigkeit.

Das sind die Versprechungen.

In Wirklichkeit hat jedoch nirgendwo auf der Welt diese Politik zum Abbau der Arbeitslosigkeit geführt oder zu einer dauerhaften wirtschaftlichen Belebung.
Aber überall, wo nach dieser Politik gehandelt wird, ist die Lohnquote gefallen, die öffentliche Hand hat kein Geld mehr, soziale Standards werden ständig verschlechtert und der Unterschied zwischen Arm und Reich wird überall größer.

Diese Politik ist gescheitert und wir wollen, daß sie so nicht fortgesetzt wird.

Unsere Alternativen und Forderungen lauten - und dies sind auch Forderungen der neu gegründeten Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit, die von Teilen aus attac unterstützt wird:

1. Wir wollen, dass die Kapitalbesitzenden und Vermögenden endlich wieder angemessen Steuern bezahlen. Wir wollen die Wiedereinführung der Vermögensteuer und die Rücknahme der Unternehmensteuerreformen.
Wir wollen eine Rückverteilung von oben nach unten.

2. Wir lehnen die Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen und öffentlich geförderter Dienstleistungen ab.
Die öffentliche Daseinsvorsorge, Erziehung, Bildung, Gesundheitsvorsorge, öffentlicher Personennahverkehr, müssen ausgebaut und nicht ausgetrocknet werden. Dazu ist eine Gemeindefinanzreform notwendig, die der öffentlichen Hand wieder verlässliche Einnahmen sichert. Dafür müssen alle Selbständigen angemessen Gewerbesteuer bezahlen, denn auch sie nutzen die öffentliche Infrastruktur.

3. Wir brauchen ein öffentliches Investitionsprogramm, mit dessen Hilfe nicht nur die öffentliche Infrastruktur ausgebaut, sondern auch tariflich regulierte Arbeitsplätze im Gesundheitswesen, in der Altersvorsorge, beim öffentlichen Nahverkehr und vielen anderen Bereichen geschaffen werden.

4. Wir lehnen jede Verlängerung der Arbeitszeit ab.
Mit gutem Grund haben wir uns die 38,5 - Stunden - Woche erkämpft!
Die Verlängerung der Arbeitszeit ist das Programm zur direkten Vergrößerung der Arbeitslosigkeit und auch das Programm, all die zarten Ansätze der Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen und der Vereinbarkeit zwischen Beruf und Leben zunichte zu machen.

Wir fordern die Umverteilung aller vorhandenen Arbeit auf mehr Köpfe und Hände durch Arbeitszeitverkürzung.

Wir Beschäftigte leisten gute Arbeit - dafür verlangen wir eine gerechte Bezahlung! Nur wenn wir ausreichend bezahlt werden, ist es uns möglich, mehr zu kaufen und damit die Konjunktur ankurbeln.

5. Wir wollen den Ausbau unserer Sozialversicherungssysteme und nicht die Zerstörung der tragenden Säulen.
Deren Finanzierung muss auf eine andere Grundlage gestellt werden, aber auch bei der Bürgerversicherung müssen die Prinzipien von Parität und Solidarität Grundlage sein. Dabei müssen sich die Beiträge nach der Listungsfähigkeit richten.

6. Wir wollen, dass jeder Jugendliche eine zukunftsorientierte und qualifizierte Ausbildung erhält.
Dazu gehört der Ausbau des Bildungswesens, der freie Zugang zu den Hochschulen keine Einführung von Studiengebühren

7. Wir fordern die Schaffung der tatsächlichen materiellen und gesellschaftlichen Voraussetzungen für die Gleichberechtigung in der Arbeit und im Leben zwischen Männern und Frauen.

8. Wir wollen eine ökologische Produktions- und Lebensweise, die sich der Nachhaltigkeit und dem schonenden Umgang mit Ressourcen verpflichtet sieht und

9. Wir wollen die demokratische Kontrolle der Wirtschaft.
Die Wirtschaft ist kein Selbstzweck und alle, die uns weismachen wollen, dass eine Gesellschaft wie ein Betrieb funktionieren soll, zerstören die sozialen Grundlagen des Zusammenlebens einer jeden Gesellschaft.

Wenn die Wirtschaft ständig behauptet, dass sie sich die Sozialen- und Arbeitskosten nicht mehr leisten kann, so müssen wir die eigentlich naheliegendere und logische Frage stellen, ob wir uns diese Wirtschaft noch leisten können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen!
liebe Freiburgerinnen und Freiburger,

Gemeinsam als Beschäftigte, als globalisierungskritisch Engagierte, wie auch als betroffene Erwerbslose müssen wir zusammenstehen, nur gemeinsam können wir erfolgreich sein!

Die Vereinigung der Sozialen Bewegungen hat im Oktober zum Abschluß des 3. Europäischen Sozialforums in London beschlossen, anläßlich des nächsten EU-Gipfels den 19. März 2005 zum europaweiten Aktionstag gegen Sozialabbau und Krieg zu erklären.
In Brüssel wird über die EU-Verfassung beraten werden, aus diesem Anlaß wird es dort eine große, europaweite Demonstration geben.

Auch aus Freiburg werden Busse nach Brüssel fahren, am Freitag, den 11.03. wird es abends eine Mobilisierungsveranstaltung mit Tobias Pflüger geben, zu der jeder ganz herzlich eingeladen ist - weitere Infos werden auf der attac-Freiburg-homepage zu finden sein.

Laßt uns auf dem Weg dahin unsere notwendigen Auseinandersetzungen gemeinsam führen und gemeinsam dort auf die Straße gehen für ein soziales Europa und ein friedliches Europa, das nicht alles Geld in eine hochaufgerüstete EU-Armee pumpt, sondern für ein Europa, das den Menschen ein würdiges Leben ermöglicht!

Ich danke für eure Aufmerksamkeit.

 

 

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