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Sagen, was ist
Ich bin freier Journalist und schreibe gelegentlich auch für die Badische Zeitung. Ich gestehe deshalb auch gleich von vorne herein, daß ich es niemals wagen würde, die Badische Zeitung zu kritisieren. Aber eines werde ich mir herausnehmen, zu Sagen, was ist
Ich möchte zunächst mit einem kleinen Quiz beginnen:
Lafontaine? Lassalle gilt ja neben den anderen Gründungsvätern der Sozialdemokratie wie Marx, Engels, August Bebel und Wilhelm Liebknecht als ein "Gemäßigter". Tatsächlich aber hat auch er die damalige Grundüberzeugung der Sozialdemokratie geteilt, daß der Kapitalismus abgeschafft werden müsse. Eine Grundüberzeugung mit der erst 1914 gebrochen wurde, was unter anderem zur Spaltung der Arbeiterbewegung und der Gründung der kommunistischen Parteien führte. Und dieser Lassalle verdiente - wie viele Sozialdemokraten zu jener Zeit - sein Geld unter anderem als Journalist. Als seinen wichtigsten Grundsatz nannte er: Sagen, was ist
So beginne ich mal mit einem Beispiel: "Aber seit die Montagsdemonstrationen fast unter Ausschluß der Öffentlichkeit stattfinden" ist da zu lesen! Dem wage ich selbstverständlich nicht zu widersprechen.
Schauen wir mal im Freiburger Teil der BZ vom letzten Dienstag,
Wie hieß es in der Freitagsausgabe?
und weiter:
Am Tag darauf war auf der Titelseite der Samstagsausgabe zu lesen: Ja hat Schröder es nun tatsächlich geschafft, sich ein neues Volk zu wählen?
Der stellvertretende Chefredakteur der BZ, Thomas Fricker, kommentiert
"Umfragen sind mit Vorsicht zu genießen." Ja nein halt, Ihr versteht das vollkommen falsch! Das war nur der erste Satz!
Thomas Fricker schreibt weiter: Ja wie das?
Fricker schreibt: Haben wir hier alle zu wenig BZ gelesen, daß wir auch heute wieder hier rumstehen?
Thomas Fricker hat offenbar nicht die 'Welt am Sonntag' von vor acht Tagen gelesen. Die 'Welt am Sonntag' hat nur - gewissermaßen ein White-out statt einem Black-out - die Frechheit begangen, vorab daraus zu zitieren. Und "Rot-Grün" hatte beabsichtigt den Armuts- und Reichtumsbericht, zu dem sie verpflichtet ist, erst Anfang 2005 zu veröffentlichen. Die Springer-Journalisten halten sich also mal an Lassalle und Sagen, was ist
Die Armut in Deutschland, einem der reichsten Länder des Globus und zudem Exportweltmeister,
Und noch eine Aussage der "rot-grünen" Bundesregierung, die ich nicht anzuzweifeln wage: Diese Fragen werden uns allerdings nicht in den Massenmedien beantwortet. Die müßt ihr euch schon selbst beantworten. Ich wage es selbstverständlich nicht, euch diese Fragen zu beantworten.
Zeitung zu lesen ist oft sehr spannend, besonders wenn ich zugleich Polizeiberichte zur Verfügung habe. Ich sage nur, was ist. Nach der Offenburger Montags-Demo vom 23. August hieß es in vielen baden-württembergischen Zeitungen, das hab ich im Internet selbst gesehen - daß in Offenburg nur 300 oder 400 Leute auf der Montags-Demonstration gewesen seien. Der Polizeibericht sprach von 900 bis 1.000 - in Übereinstimmung mit den Veranstalterinnen und Veranstaltern. In Offenburg selbst stand's selbstverständlich richtig in der Presse. Wie es zu den um zwei Drittel reduzierten Zahlen von 300 oder 400 kam, konnte ich allerdings nicht herausfinden. Nach dem 6. September hieß es dann erstmals bundesweit nahezu einvernehmlich in den deutschen Massenmedien, die TeilnehmerInnen-Zahlen bei den Montags-Demos gingen zurück. Nach den von den Veranstalterinnen und Veranstaltern gemeldeten Zahlen, ich hab das gesammelt und addiert, waren es bundesweit am 30. August rund 198.000 und Montag, 6. September, rund 210.000 Menschen - also ein weiterer Anstieg!
Jetzt die Basler Zeitung vom 7. September:
Das kann jede und jeder selber nachlesen - ich
Eckart Spoo, Herausgeber und Redakteur der Zeitschrift 'Ossietzky', schreibt: Der größte Pressekonzern in Deutschland ist der Axel-Springer-Verlag. Ihm gehören Bild und Welt, Bild am Sonntag, Welt am Sonntag, Berliner Zeitung, Berliner Morgenpost, Hamburger Abendblatt und vieles mehr. Die bei Springer beschäftigten Journalisten sind allesamt auf das marktwirtschaftliche System verpflichtet, den Kapitalismus. Es ist ihre Aufgabe, den vielen Millionen Lesern von Springer-Zeitungen und -Zeitschriften immerzu die Botschaft einzuträufeln, der Kapitalismus sei gut für sie, besser als alles sonst Erdenkliche, einfach das Bestmögliche. Zum Springer-Konzern gehören auch die Lübecker Nachrichten, die Monopolzeitung in Lübeck und Umgebung. Wie alle Springer-Zeitungen preist dieses Blatt tagtäglich die Konkurrenz, den freien Markt, auf dem sich alles zum Besten fügt. Wer bemerkt diesen grotesken Widerspruch, diese Verlogenheit: daß ein Monopolblatt den freien Markt preist? In den meisten Regionen Deutschlands erscheint nur noch je eine Zeitung. Im Bundesland Rheinland-Pfalz beispielsweise gibt es vier Tageszeitungen, je eine in den vier (früheren Regierungs-) Bezirken Mainz, Koblenz, Ludwigshafen und Trier; die Verbreitungsgebiete sind genau gegeneinander abgegrenzt. In Ostdeutschland erschienen bis 1989 neben den SED-Bezirks- Zeitungen noch Zeitungen der anderen Parteien, die aber, auch wenn sie sich in Einzelheiten unterschieden, alle den "realexistierenden Sozialismus" und die damaligen Machtverhältnisse priesen. Die SED-Bezirkszeitungen wurden dann sämtlich von westdeutschen Pressekonzernen übernommen; die anderen Blätter wurden eingestellt. Die in Monopolzeitungen umgewandelten früheren SED-Blätter preisen jetzt alle den Kapitalismus und die heutigen Machtverhältnisse. Obwohl die regionale Monopolisierung der Presse auch in Westdeutschland weitgehend - bis auf wenige Regionen wie Berlin, München, Frankfurt/Main, Düsseldorf - abgeschlossen ist (teilweise mit dem Ergebnis, daß zwar noch zwei Zeitungen nebeneinander erscheinen, die aber demselben Verlag gehören, so in Hannover und Nürnberg), geht die Pressekonzentration weiter. Die großen Konzerne erbeuten nach und nach die Monopolblätter, wie es Springer in Lübeck getan hat. Der Holtzbrinck-Konzern zum Beispiel (Die Zeit, Handelsblatt, Tagesspiegel u. a.) hat sich den Südkurier, die Lausitzer Rundschau und die Saarbrücker Zeitung (die einzige Zeitung im Saarland) zugelegt, und jedes Holtzbrinck-Blatt stimmt mit jedem Springer-Blatt im Lobpreis des Kapitalismus überein, der angeblich die Grundlage aller Freiheit ist. Und die Blätter des Bertelsmann-Konzerns (Gruner+Jahr), des Essener WAZ-Konzerns und der anderen großen Verlage singen unisono dasselbe Lied. Wo einmal ein Monopol besteht, da kann Konkurrenz nicht wiedererstehen. Kleine Versuche hat es gelegentlich hier und da gegeben. In Osnabrück und Umgebung, wo schon seit Jahrzehnten die Neue Osnabrücker Zeitung allein erscheint, trat einmal eine Neue Freie Presse mit der Parole "Brecht das Meinungsmonopol der NOZ" an. Der Versuch war schnell gescheitert. Selbst der reiche Heinrich-Bauer- Verlag schaffte es nicht, in dem kleinen Verbreitungsgebiet der Husumer Nachrichten ein Konkurrenzblatt zu etablieren. Aber nach der "Wende" bedachte ihn die Treuhandanstalt mit der Volksstimme, der früheren SED-Zeitung im Bezirk Magdeburg und Umgebung. So konnte dieser mächtige Zeitschriftenkonzern endlich doch ins Zeitungsgeschäft hineinwachsen.
Wer in Freiburg lebt, kann dem allem sicherlich ein weiteres Beispiel hinzufügen.
Aber ich würde es sicherlich niemals wagen, die Badische Zeitung als Monopolblatt zu bezeichnen. Ich danke fürs Zuhören.
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