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US-Wirtschaft schrumpft
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OLG Düsseldorf kippt Netzkosten-Befreiung
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Mindestlohn in Frankreich
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Spaniens beschleunigter Niedergang
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OECD-Bericht:
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Schuldenkrise in den USA
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Sozialabbau: Bufdis
Bundestagsabgeordnete wollen
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Überraschend soziales Urteil
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Statistik widerlegt Sarrazin-Thesen
Verfassungsgericht: Einführung von Hartz-IV
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Zeitarbeit - Gericht spricht "christlicher Gewerkschaft"
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DGB-Demos mit nur 90.000 TeilnehmerInnen
Real über 9 Millionen Arbeitslose
Von der Leyens Hartz-IV-Reform:
Deutschland ist Spitze
Weitere 40 Milliarden Euro für die HRE
Schwarz-Gelbe Marionetten
Bundessozialgericht:
50 Milliarden Euro
Von der Leyens Hartz-IV-Reform
OECD kritisiert lasche Steuerprüfung in Deutschland
Pisa 2010 und die Schere
Gesundheitssystem: Weitere Milliarden
Spätrömische Dekadenz ganz real
Proteste gegen Sozialabbau
Ausgepreßt
Nachwuchs ohne Zukunfts-Chance
DGB-Chef Sommer: Nicht Jahr eins, sondern Jahr drei der Krise
Kosten des Gesundheitssystems wachsen
Kein Aprilscherz:
BA-Chef Alt plant weiteren Sozialabbau:
Rente wird gekürzt
Offizielle Parteispenden über 20 Millionen Euro
Hartz-IV-Regelsätze verfassungswidrig
DIW-Studie zum Vermögen in Deutschland
Hartz-IV-Bescheide
1.01.2010
Hartz IV war in den vergangenen fünf Jahren ein voller Erfolg - für jene, in deren Auftrag "Rot-Grün" diesen größten Sozialabbau in 60 Jahren BRD organisiert hat. Zu erinnern ist in diesem Zusammenhang einmal mehr an den Ausspruch des frühere Chefs der Aufsichtsräte von DaimlerChrysler und Deutscher Bank, Hilmar Kopper, vom November 1999: "Wenn Sie mich vor anderthalb Jahren gefragt hätten, ob ich mir eine aktive Beteiligung der Bundesregierung auf dem Balkan unter rot-grüner Beteiligung vorstellen könnte, dann hätte ich Sie für nicht recht gescheit gehalten. Genauso aber kam es. Und es konnte nur von der rot-grünen Regierung kommen, sonst hätten wir in diesem Land eine Revolution gehabt. Ähnliches gilt wohl auch für die Veränderung des Sozialstaates. Wahrscheinlich müssen die heiligen Kühe von denen geschlachtet werden, die an ihrer Aufzucht am aktivsten beteiligt waren." Anzumerken ist allenfalls: Jene Parteien, die als "rot" und "grün" firmieren, haben mit den Parteien, die ursprünglich für diese Farben standen nur noch die Fassade gemeinsam. Doch dies genügte offenbar, um bei der Bundestagswahl 1998 einen großen Teil der WählerInnen zu täuschen. Seit dem 1. Januar 2005 bekommen Arbeitslose nur noch ein Jahr lang Arbeitslosengeld I (ALG I), das sich an der Höhe des letzten Lohnes bemißt. Nach dem zwölften Monat erhalten sie nur noch Arbeitslosengeld II (ALG II). Dessen Höhe ist unabhängig vom letzten Lohn und beträgt derzeit 359 Euro monatlich. Selbst wer jahrzehntelang gearbeitet und in die Arbeitslosenversicherung einbezahlt hat, ist nach einem Jahr Arbeitslosigkeit zum Leben in Armut verdammt. Der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband (DPWV) erachtet die Hartz-Gesetze und die Agenda 2010 für "gescheitert", weil er unbeeindruckt an der Illusion festhält, das, was als Ziel dieser "Reformen" proklamiert wurde, sei tatsächlich beabsichtigt worden. So stellt dieser Verband immerhin - im Gegensatz zu den deutschen Mainstream-Medien, die in den vergangenen fünf Jahren ihre Aufgabe mehr und mehr darin sahen, die Realität propagandistisch umzudeuten - fest, daß es nicht gelungen sei, "die Zahl der von Arbeitslosigkeit Betroffenen merklich abzubauen." Und DPWV-Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider wagt es, öffentlich zu sagen, daß mittlerweile fast die Hälfte der Hartz-IV-Abhängigen (korrekt: ALG-II-BezieherInnen) diese Zahlungen mindestens drei Jahre lang beziehen. "Wer in Hartz IV ist, der ist in der Perspektivlosigkeit. Das ist das Fazit, das man ziehen muß", so Ulrich Schneider. Des weiteren stellt der DPWV fest, daß die "Zahl der erwerbsfähigen Hartz-IV-Bezieher im Vergleich zu 2005 konstant geblieben" ist. Und: "Es ist auch nicht gelungen, Langzeitarbeitslose häufiger in Arbeit zu vermitteln." Nach einer Analyse des DPWV lag die Zahl der erwerbsfähigen ALG-II-BezieherInnen im April 2009 mit 4,93 Millionen beinahe auf dem Niveau der Anfangsmonate von Hartz IV. Im September 2005 waren es 5,15 Millionen. Zu ergänzen ist hier allerdings, daß diese Angaben auf der Jahr für Jahr mit immer skrupelloseren Tricks verfälschten amtlichen Statistik beruhen und die Arbeitslosigkeit real stark zugenommen hat. Ein immer größerer Teil der Betroffenen wird nicht in der Statistik berücksichtigt. Die Zahl der sogenannten AufstockerInnen, also der Erwerbstätigen, die zusätzlich zu ihrem Arbeitslohn auf ALG-II-Zahlungen angewiesen sind, lag laut DPWV im April 2009 mit 1,31 Millionen sogar noch etwas höher als 2007 (1,28 Millionen). Konstant blieb auch die Zahl der Kinder in Hartz-IV-Familien. Demnach waren 1,78 Millionen Kinder unter 14 Jahren im September 2005 von Hartz IV abhängig, im April 2009 waren es laut offiziellen Zahlen nur rund 36.000 weniger. Der DPWV stellt fest: "Es ist unmöglich, ein Kleinkind mit 215 Euro für Kleidung, Lebensmittel und Spielzeug über den Monat zu bringen." Die Vermittlungsbemühungen der Job-Behörden sind laut DPWV nach wie vor unabgestimmt und chaotisch. Zudem habe durch die Abschaffung jeglicher Zumutbarkeitsregeln und den hohen Druck auf die Arbeitslosen die Zahl der arbeitenden Armen zugenommen. Hartz IV habe auch deshalb scheitern müssen, so der DPWV, weil der erste Arbeitsmarkt nicht genügend Jobs angeboten hat. "Es wurde eine Brücke aufgebaut, die ins Nichts führte", sagte der DPWV-Geschäftsführer. Um nun das von "Rot-Grün" verfolgte Ziel erkennen zu können, ist ein Blick auf Europa hilfreich: In keinem anderen europäischen Land wurde in den vergangenen Jahren der Niedriglohn-Sektor so stark ausgeweitet wie in Deutschland. Die BRD hat mittlerweile eine ganze Reihe anderer europäischer Länder, die etliche Jahre zuvor mit einer neoliberalen Umgestaltung begannen, überholt und liegt in Europa seit Anfang 2008 an der Spitze. Nach einer Studie des Instituts für Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen lag der Anteil des Niedriglohn-Sektors in Deutschland im April 2008 bei 22,2 Prozent. In den USA lag der Anteil der Billig-Jobber zu diesem Zeitpunkt bei 25 Prozent. Und in Dänemark beispielsweise bei nur 8,5 Prozent. Hartz IV hat eben hauptsächlich den Zweck, Arbeitslose zu zwingen, jeden noch so schlecht bezahlten Job anzunehmen. Durch die verschärften Zumutbarkeitsregeln wird Druck ausgeübt, auch Jobs mit einer Entlohnung unter Tarif und außerhalb der Sozialversicherung zu akzeptieren. Mehr noch als die Steuerreform des Jahres 2000, die dem Kapital Steuererleichterungen von jährlich über 20 Milliarden Euro verschaffte, war dies ein unschätzbares Geschenk. Die AutorInnen der IAQ-Studie nennen die Ursache beim Namen: "Die Politik hat mit umfassenden Deregulierungen die Schleusen geöffnet für die weitere Ausdehnung der Niedriglohn-Beschäftigung." Dabei steigt nicht nur die Zahl der betroffenen Beschäftigten, sondern gleichzeitig sinkt auch seit 2004 deren durchschnittlicher Stundenlohn - im Westen innerhalb eines Jahres von 7,16 Euro (2005) auf 6,89 Euro (2006), im Osten im gleichen Zeitraum von 5,38 Euro auf 4,86 Euro. Bei einer vierzigstündigen Wochenarbeitszeit ergibt sich so ein Monatslohn von rund 1.100 Euro brutto im Westen und von rund 800 Euro brutto im Osten. 2006 arbeiteten insgesamt 1,9 Millionen Menschen sogar für eine Stundenlohn unter fünf Euro. Innerhalb von nur zwei Jahren sanken 400.000 Beschäftigte in diesen untersten Bereich ab. 76 Prozent der Niedriglohn-Beschäftigten sind Frauen. Heute müssen rund neun Millionen Menschen in der BRD in Teilzeit-Jobs arbeiten - überwiegend Frauen wurden so zu Opfern von Hartz IV . Sieben Millionen arbeiten in so genannten Mini-Jobs mit einem maximalen Monatseinkommen von 400 Euro. Durchschnittlich über 300.000 Menschen befinden sich, mehr oder weniger direkt von den Behörden gezwungen, in Ein-Euro-Jobs. Hier verdienen sie zusätzlich zum ALG-II-Satz pro Arbeitsstunde ein oder zwei Euro. Angeblich dient dies dazu, Menschen an einen regulären Arbeitstag zu gewöhnen. Bezeichnend dafür, daß sich mit dem Wechsel der Regierungsfarben von "rot-grün" über "schwarz-rot" zu "schwarz-gelb" nichts ändert, ist das Beispiel des Staatssekretärs im Finanzministerium Jörg Asmussen. Der mit einem SPD-Parteibuch ausgestattete Staatssekretär hatte unter dem "S"PD-Finanzminister Hans Eichel maßgeblich dazu beigetragen, daß neoliberale Vorgaben in der Finanzpolitik durchgesetzt wurden. So hatte "Rot-Grün" mit der Steuerbefreiung für Veräußerungsgewinne erst den Weg frei gemacht für die "Heuschrecken", über die sich dann Franz Müntefering im Vorfeld des 1. Mai 2005 künstlich ereiferte. Rasmussen wurde von "Schwarz-Gelb" beim Regierungswechsel im vergangenen Herbst mit Kußhand übernommen. Veränderungen können wir nur erwarten, wenn die Betroffenen selbst aktiv werden.
28.10.2009
Die Bundesagentur für Arbeit (BA) hat ihre MitarbeiterInnen angewiesen, bis spätestens 30. November die Fälle von mehr als tausend Sanktionen allein aus dem Zeitraum Januar bis Mai 2009 zu überprüfen und zu Unrecht geminderten Zahlungen an die Betroffenen zu erstatten. Bereits im Dezember 2008 hatte die BA in einer Dienstanweisung klargestellt, daß die Weigerung, eine Eingliederungs-Vereinbarung abzuschließen, nicht mehr sanktioniert werden dürfe. Dennoch weist die BA-eigene Statistik für 2009 bis einschließlich Juni (spätere Zahlen sind noch nicht veröffentlicht) über 2.000 Sanktionen für diesen Tatbestand aus. Die BA hüllt sich allerdings weiterhin in Schweigen, ob und welche Konsequenzen sie in den Fällen zu ziehen gedenkt, bei denen Sanktionen im Zeitraum zwischen dem 1. Januar 2005 und dem 1. Januar 2009 verhängt wurden. Nach Ansicht des 'Bündnis für ein Sanktionsmoratorium' zeigt das Beispiel von weisungswidrigem Verhalten in JobCentern und ARGEn erneut, wie wichtig ein Aussetzen der Sanktionsregelungen ist. Im Jahr 2008 waren insgesamt mehr als 780.000 Sanktionen gegen Hartz-IV-Betroffene verhängt worden. Das 'Bündnis für ein Sanktionsmoratorium' fordert neben einer sofortigen Aussetzung des Hartz-IV-Sanktionsparagraphen auch eine breite gesellschaftliche Diskussion über die Praxis und Folgen von Sanktionen für Betroffene und deren Familien. Den Aufruf für ein Sanktionsmoratorium haben bis Oktober 2009 mehr als 13.000 Menschen aus dem gesamten Bundesgebiet unterschrieben.
28.10.2009
Eine Mehrheit der Deutschen hält die Hartz-IV-Sätze nach wie vor für zu gering. Dies kommt in der heute veröffentlichten Umfrage des Hamburger Magazins 'stern' zum Ausdruck:
"zu gering" 48 Prozent
Daß die in Folge der "rot-grünen" Agenda-2010-Politik und der Hartz-Gesetze festgesetzten Arbeitslosengeld-II-Sätze zu gering seien, finden 60 Prozent der AnhängerInnen der Linkspartei, 59 Prozent der AnhängerInnen der Grünen" und 56 Prozent der AnhängerInnen der "S"PD. Die Kontroverse über die Höhe des Arbeitslosengeldes II (ALG II) beschäftigt zur Zeit auch das Bundesverfassungsgericht. Die neue "schwarz-gelbe" Bundesregierung hat auf die anhaltende öffentliche Kritik an den Bedingungen von Hartz IV bereits reagiert und als Beruhigungs-Bonbon das sogenannte Schonvermögen erhöht. ALG-II-EmpfängerInnen dürfen bald statt wie bisher 250 Euro nunmehr 750 Euro zurücklegen, ohne daß der Staat ihnen die Zahlung kürzt. Dies betrifft allerdings weniger als 5 Prozent der Hartz-IV-Geschädigten. Zugleich ist von "Schwarz-Gelb" ein forcierter weiterer Sozialabbau zu erwarten.
16.10.2009
Die katholische Hilfsorganisation Caritas schlägt Alarm wegen drastischer Kürzungen bei der Finanzierung ihrer Obdachlosen- Arbeit und bei den von ihr angebotenen Hilfen wie der Sucht- und Schuldnerberatung. Wegen der finanziellen Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise auf die Finanzen von Ländern und Kommunen wachse bundesweit der Druck auf die Einrichtungen der Caritas, sagte DCV-Präsident Peter Neher am gestrigen Donnerstag: "In nicht wenigen Kommunen erfolgt die Finanzierung vereinbarter sozialer Leistungen erst nach Monaten." Dies führe zu existenziellen Problemen. Von der neuen "schwarz-gelben" Bundesregierung forderten die rund 200 Delegierten bei einer Bundesversammlung in Eichstätt, Kinderarmut zu bekämpfen und Altersarmut vorzubeugen. Dies erfordere entsprechende Finanzmittel für Bildung und Qualifizierung, so Neher, der in seinem Amt als Caritas-Präsident bestätigt wurde. Nach öffentlich zugänglichen Zahlen wird die katholische Kirche in Deutschland jährlich mit rund 10 Milliarden Euro subventioniert1 und bringt nur einen verschwindend geringen Teil der Mittel, die sie für die Erfüllung sozialer Aufgaben verwendet, selbst auf. Diese Tatsache ist jedoch kein Grund, die aktuelle Warnung der Caritas vor Kürzungen im Sozialbereich als unglaubwürdig abzutun. Der Caritasverband mit Sitz in Freiburg wurde 1897 gegründet und engagiert sich im Bereich der Gesundheits-, Jugend- und Sozialhilfe. Mit etwa 520.000 MitarbeiterInnen in rund 25.000 Einrichtungen ist die katholische Hilfsorganisation die größte in Deutschland.
23.07.2009
"Schwarz-Rot-Grün-Gelb" verspricht das Blaue vom Himmel für die Zeit nach der Bundestagswahl am 27. September. Die Weltwirtschaftskrise sei schon so gut wie besiegt. Und die "Schwarzen" winken gar mit Steuererleichterungen. Doch insgeheim ist das große Abkassieren geplant. Mit der Mehrwertsteuererhöhung nach der Wahl 2005 hatte es doch schon einmal so gut geklappt. Nach dem 27. September droht erneut ein kräftiger Schub beim Sozialabbau. Und dies auf dreierlei Weise: Die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung sollen erhöht werden, die Beiträge zur Rentenversicherung ebenfalls und hinzu kommen geplante Erhöhungen bei der Krankenversicherung. Insgesamt kommt auf eineEn DurchschnittsverdienerIn so eine Mehrbelastung von mindestens 400 Euro zu. Die Arbeitslosigkeit wird weiter drastisch anwachsen. Schon allein wegen der hohen Zahl von KurzarbeiterInnen wird die Bundesagentur für Arbeit noch in diesem Jahr ihre Rücklagen aufgebraucht haben. Optimistisch wird für 2010 mit einem Defizit von über 20 Milliarden Euro gerechnet. Also wird die Aufgabe von "Schwarz-Rot-Grün-Gelb" darin bestehen, eine Erhöhung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung als "alternativlos" darzustellen. Und wenn von den Gewerkschaften nicht mehr kommt, als rein verbale Ankündigungen wie im März dieses Jahres ("Wir zahlen nicht für eure Krise") wird das Zahlen auch durchgesetzt. Eine Erhöhung von derzeit 2,8 auf mindestens 4,0 Prozent liegt schon in den Schubladen bereit. Da die Real-Einkommen der unteren Zweidrittel weiter sinken werden, sind auch die Beiträge zur Rentenversicherung auf der Grundlage des derzeitigen Renten-Modells obsolet. Ob die Beiträge 2010 angehoben oder die Renten gekürzt werden sollen, ist noch offen. Auf die Versprechen, die Renten nicht anzutasten, ist so wenig Verlaß wie auf alle Versprechen von Partei-PolitikerInnen. Falls die Renten nicht gekürzt werden, droht jedenfalls eine Erhöhung der Beiträge von 19,9 auf mindestens 20,2 Prozent. Auch die Erhöhung der Beiträge zur Krankenversicherung sind längst geplant. Im Interesse der Pharma-Konzerne, die mit Abstand am meisten von der Umwandlung des Gesundheitssystems in den vergangenen Jahren profitierten, und im Interesse der großen Klinik-Ketten sollen die Beiträge nach einer kurzfristigen Absenkung vermutlich um mindestens 0,6 Prozent steigen. All diese längst für die Zeit nach der Wahl vorgesehenen Maßnahmen, würden zu einer Mehrbelastung von DurchschnittsverdienerInnen um mindestens 400 Euro führen. Doch auch darüber hinaus haben die deutschen "Eliten" noch einige Pfeile im Köcher. Bleibt es wie in diesem Jahr allein bei einer Gegenwehr mit Worten statt Taten, ist eine weitere Mehrwertsteuer nicht auszuschließen. Der baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger hat sich bereits verplappert und Pläne zur Erhöhung der Mehrwertsteuer von Lebensmitteln von bislang 7 auf 9,5 Prozent aufgedeckt. Auch der finanzpolitische Sprecher der CDU-Bundestagsfraktion Otto Bernhardt, sprach schon von einer "deutlichen Aufstockung". Wer sich noch an die Jahre zwischen 1998 und 2005 erinnert, weiß, daß es nicht darauf ankommt, wie sich die Stimmen am 27. September auf die "schwarz-rot-grün-gelben" Blockflöten-Parteien verteilen und welche Koalition die Regierung bilden wird. Die Pläne zum weiteren Sozialabbau können nur von den Beschäftigten mit Streiks verhindert werden. Das Heer der Arbeitslosen ist machtlos, denn auch wenn hunderttausende auf die Straße gehen, beeindruckt das weder die heutigen Partei-PolitikerInnen noch ihre Auftraggeber, die in den Zeiten der Weltwirtschaftskrise so hart für die weitere Umverteilung von Unten nach Oben kämpfen werden wie nie zuvor. Die Parole "Wir zahlen nicht für eure Krise" wird so lange zahnlos bleiben, wie die Gewerkschaftsbürokratie das Kampfmittel des politischen Streiks zu unterbinden vermag. Gewerkschaftlich organisierte Demonstartionen mit einigen zehntausend TeilnehmerInnen und "revolutionären" Parolen können nicht darüber hinwegtäuschen, daß nur reale Druckmittel Wirkung zeigen.
19.06.2009
Je nach dem, wer in zehn oder zwanzig Jahren die Deutungshoheit über unsere Geschichte erlangt haben wird, werden HistorikerInnen in die Geschichtsbücher eine von zwei Varianten hineinschreiben. Variante A würde ungefähr so lauten: In der Krise des Jahres 2009 hatten die verantwortlichen deutschen Politiker unter Bundeskanzlerin Angela Merkel keine andere Wahl, als alles auf eine Karte zu setzen, um den Zusammenbruch des gesamten Wirtschaftssystems zu vermeiden. Daß dies aufgrund tragischer Umstände scheitern würde, konnte damals niemand ahnen. Variante B würde hingegen wahrheitsgetreu zusammenfassen: Da die damalige deutsche Elite keinen anderen Ausweg mehr sah, ihre Macht wenigstens noch für kurze Zeit aufrecht zu erhalten, türmte sie im Jahr 2009 einen gigantischen Schuldenberg von über tausend Milliarden Euro auf. Bereits im Jahr 2009 war jedem verständigen Deutschen klar, daß dies unausweichlich den Ruin des deutschen Staates nach sich ziehen würde. Heute nun mußte Bundesfinanzminister Peer Steinbrück notgedrungen ein wenig Licht auf seine Pläne fallen lassen, mit denen er den deutschen Staat im Auftrag von Konzernen und Banken geradewegs in den Ruin steuert. Er mußte - wenn auch reichlich verharmlosend - Zahlen nennen, die ein ungefähres Bild dessen bieten, was an Folgekosten vom größten jemals in der Nachkriegsgeschichte angehäuften Schuldenberg zwangläufig ausgelöst wird. Allein im Jahr 2010 muß die Bundesregierung demnach neue Schulden von mehr als 86 Milliarden Euro aufnehmen. Die im Etatplan veranschlagte Neuverschuldung liegt 2010 um 38,5 Milliarden Euro über der im zweiten Nachtragshaushalt für 2009 vorgesehenen Nettokreditaufnahme von 47,6 Milliarden Euro. Dabei liegt der gesamte Bundeshaushalt in einer Größenordnung von lediglich 300 Milliarden Euro. Anders als von Regierung und Mainstream-Medien behauptet, geht es dabei längst nicht mehr darum, den wirtschaftlichen Absturz in der Weltwirtschaftskrise abzumildern. Längst geht es auch nicht mehr darum, die Wirtschaftskrise zu verhindern, wie es noch vor wenigen Monaten hieß. Die milliardenteure Stützung der Banken und die "Konjunktur-Pakete" setzen nicht an der Ursache der Weltwirtschaftskrise an, sondern verschärfen die Krise und verbauen die letzte Möglichkeit, daß die herrschende Elite diese unter Beibehaltung des kapitalistischen Wirtschaftssystems überstehen könnte. Sie dienten lediglich dem Zweck, den Zusammenbruch hinauszuschieben, um sich wenigstens noch kurze Zeit an der Macht zu halten. Selbst JournalistInnen, die jahrelang das neoliberale Credo nachbeteten, stellen heute die bange Frage: Wie soll es gelingen, diesen Schuldenberg abzutragen? Vermutlich wird diese Frage mit aller Macht aus dem Wahlkampf vor der Bundestagswahl am 27. September herausgehalten werden. Denn allein diese Frage zu stellen, könnte für die "schwarz-rot-grün-gelben" Blockflötenparteien zu einem Desaster führen. Doch vielleicht werden sie selbst dumm genug sein, die Staatsschulden zum Thema zu machen, indem sie auf ihr Gesetzesvorhaben verweisen, eine "Schuldenbremse" ab dem Jahr 2016 ins Grundgesetz zu schreiben. Aus jahrelanger Erfahrung heraus verwechseln sie die phänomenale Geduld des deutschen Michel mit Dummheit. Die naheliegende Frage, wie denn in wenigen Jahren ein Schuldenberg von über 1000 Milliarden Euro abgebaut werden soll, wird sich nicht unterdrücken lassen. Um der Hoffnung Nahrung zu geben, daß von 2011 an ein Aufschwung die Rückzahlung der Schulden ermöglichen wird, werden die Mainstream-Medien selbstverständlich nichts unversucht lassen. Ein wenig ökonomische Grundkenntnisse lassen jedoch schnell erkennen, daß ein solcher Aufschwung nicht lediglich ein Wirtschaftswachstum von zwei oder drei Prozent, sondern ein Vielfaches dessen aufweisen müßte, um einen Zuwachs an Steuereinnahmen auch nur in annährend zweistelliger Milliardenhöhe zu generieren. Wer jedoch die vergangenen sechs Jahrzehnte der wirtschaftlichen Konjunkturen in der BRD vor dem geistigen Auge Revue passieren läßt, wird erkennen, daß eine solche Hoffnung völlig illusionär wäre. Im Gegenteil: Die globalen wirtschaftlichen Strukturen, die in die Überproduktionskrise geführt haben, werden sich unter kapitalistischen Vorzeichen nur auf dem Weg über Firmenkonkurse und Fusionen - also in einem weiteren beschleunigten Konzentrationsprozeß an die nachlassende Nachfrage anpassen. Daß dies zumindest für die kommenden zehn Jahre einen Aufschwung ausschließt, ist leicht nachzuvollziehen. Wenn die Einnahmen fehlen, um 1000 Milliarden an Schulden und drückende Zinslasten abzubauen, bleibt - theoretisch - nur der Ausweg, Ausgaben zu kürzen. Entgegen allen Wahlkampf-Versprechungen droht in Deutschland also weiterer Sozialabbau und Steuererhöhungen zu Lasten der seit Jahren beschleunigt erodierenden Mittelschichten. Selbstverständlich kommt auf diesem Weg noch nicht einmal so viel zusammen, daß so ein weiteres Anwachsen des Schuldenberges verhindert werden könnte. Darum geht es längst auch gar nicht mehr. Es geht nur noch darum, den Zusammenbruch ein wenig hinauszuzögern. Am 29. März gingen in Deutschland Zehntausende mit der lächerlichen Parole auf die Straße "Wir zahlen nicht für eure Krise". Wie diese Weigerung realisiert werden könnte, wollte oder konnte der DGB, der diese Parole aufgestellt hatte, nicht verraten. Ohne irgendwelche Perspektiven, wie denn ein Umsturz diesen Staat gewaltfrei beseitigen und die Schuldenlast abschütteln könnte, wirkte die Parole "Wir zahlen nicht für eure Krise" wie der hilflose Ausruf des Suppen-Kaspars "Ich esse meine Suppe nicht!" aus dem grauslichen Struwwelpeter-Buch Heinrich Hoffmanns. So ist absehbar, daß dem deutschen Michel für einige Jahre bis zum endgültigen Zusammenbruch dieses Staates nichts anderes übrig bleiben wird, als die Suppe auszulöffeln, die ihm seine "Elite" eingebrockt hat - es sei denn, es vergeht ihm der Appetit.
11.06.2009
Während PatientInnen und ein Großteil der ÄrztInnen Jahr für Jahr Einschränkungen und Kürzungen hinnehmen müssen, profitiert die Pharma-Industrie ohne jegliche Beschränkungen vom deutschen Gesundheitssystem. Selbst im ersten Jahr der Weltwirtschaftskrise verzeichneten viele Pharma-Konzerne zweistellige Zuwächse beim Gewinn. Zum einen müssen die Krankenkassen immer mehr Geld für Arzneimittel ausgeben. Zum anderen wird in Deutschland - im Gegensatz beispielsweise zu den USA - eine Vielzahl an Medikamenten zugelassen, deren Nutzen fraglich ist und die Milliardengewinne in die Kassen der Pharma-Industrie spülen. Steigende Ausgaben für Arzneimittel Während immer mehr Geld aus dem deutschen Gesundheitssystem den Pharma-Konzernen zugute kommt, gibt es gleichzeitig immer weniger Möglichkeiten, diese Steigerung zu begrenzen. Beweise hierfür liefert nun auch der Arzneimittelreport der Gmünder Ersatzkasse (GEK). 2008 gab die GEK rund neun Prozent mehr für Arzneimittel aus als im Jahr 2007. Dieser Ausgabenanstieg war überdurchschnittlich groß: Alle gesetzlichen Kassen zusammen gaben 2008 rund fünf Prozent mehr aus. In realen Zahlen waren das fast 30 Milliarden Euro. Doch während in allen anderen Kostenbereiche im Gesundheitswesen (Heilmittel - also Krankengymnasik etc., Krankenhäuser, ärztliche Behandlung, Vorsorge / Reha, zahnärztliche Behandlung, Krankengeld und ebenso der Kostenbereich Zahnersatz) Ausgaben gekürzt wurden, kamen die Mehrausgaben den Pharma-Konzernen zugute. Laut GEK war einer der maßgeblichen Kostentreiber das Segment für Spezial-Medikamente gegen schwere Erkrankungen wie Krebs, Rheuma oder Multiple Sklerose. Eine Therapie kann pro Jahr bis zu 80.000 Euro kosten. Diese Spezial-Medikamente werden unter großem Aufwand mit Hilfe der Gentechnik hergestellt. Von den sechs umsatzstärksten Präparaten der GEK sind fünf gentechnisch hergestellt. Die Kasse verwendet bereits 13 Prozent ihrer Arzneimittelausgaben auf diese Spezial-Medikamente. Die Krankenkassen müßten für diese Medikamente die Preise zahlen, die die Hersteller forderten, erklärt der Autor des GEK-Arzneimittelreports Gerd Glaeske. Die üblichen Instrumente zur Kostensenkung funktionierten hier nicht, weil die Medikamente mit anderen Arzneimitteln nicht zu vergleichen seien und keine Kosten-Nutzen-Analyse stattfinden könne. "Es muß eine gesetzliche Regelung geschaffen werden, nach der kein Arzneimittel mehr ohne Preisverhandlung auf dem Markt der gesetzlichen Kassen zugelassen wird", sagte Glaeske. Sonst werde die Pharmabranche die Kassen überfordern. Eine Sprecherin des Bundesgesundheitsministeriums sagte dazu, die Kassen könnten für alle Arzneimittel eine Grenze festlegen, bis zu der Preise erstattet werden. Sie könnten zur Not auch ohne Kosten-Nutzen-Analyse einen Höchstpreis mit den Pharmafirmen vereinbaren. Glaeske sagt dagegen, die höheren Ausgaben durch die Spezialmittel seien auch durch den verstärkten Einsatz von billigeren Nachahmerpräparaten, den sogenannten Generika, kaum mehr auszugleichen. Der Chef der GEK, Rolf-Ulrich Schlenker, plädiert dafür, daß ÄrztInnen nur noch einen einzigen Wirkstoff verordnen. Die Apotheker sollen dann das wirtschaftlichste Mittel heraussuchen. Die steigenden Arzneimittelausgaben machen den Krankenkassen seit Jahren zu schaffen. Nach Einführung des Gesundheitsfonds können sie darauf nicht mehr mit einer Erhöhung ihres Beitragsatzes reagieren, weil es einen Einheitsbeitrag gibt. Zu dessen Erhöhung ist die Bundesregierung vorerst nicht bereit. Die Forderung der Kassen, Einnahmeausfälle durch die Wirtschaftskrise mit Steuergeld auszugleichen, lehnt Gesundheitsministerin Schmidt ab. An eine Beschränkung der Gewinne der Pharma-Industrie wagen offenbar weder Politik noch Ärzteschaft zu denken. Steigen jedoch weiterhin die Arzneimittelausgaben bei gleichbleibendem Gesamtvolumen, wird auch in Zukunft zu Lasten aller anderen Kostenbereiche im Gesundheitswesen - also auch bei den Honoraren eines überwiegenden Teils der ÄrztInnen - gekürzt werden. Pharmaindustrie unterläuft eine unabhängige Zulassung von neuen Medikamenten Pharma-Konzerne halten Medikamente-Studien, die nicht zu den gewünschten Ergebnissen führten, zurück. So wird nicht nur der wissenschaftliche Fortschrift dem Profit-Prinzip geopfert, sondern darüber hinaus wird so eine kritische Bewertung von Medikamenten durch MedizinerInnen und PatientInnen blockiert. In den USA hingegen müssen Pharma-Konzerne sämtliche Studien gegenüber der Zulassungsbehörde offenlegen. Auch in Deutschland soll mit dem Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) eine Instanz neutral prüfen, ob Medikamente tatsächlich den von ihren Produzenten versprochenen Nutzen für die PatientInnen erbringen. Doch das vor fünf Jahren von der Bundesregierung ins Leben gerufene Institut kann diese Aufgabe nicht erfüllen: Die Pharma-Konzerne stellen dem IQWiG Studien nur auf der Grundlage einer freiwilligen Selbstverpflichtung zur Verfügung. Und in der Praxis hat sich mittlerweile herausgestellt, daß sie unveröffentlichte Medikamente-Studien in der Regel nur dann dem IQWiG überlassen, wenn darin keine negativen Ergebnisse enthalten sind. Beate Wieseler vom IQWiG bestätigte auf Fragen des TV-Magazins MONITOR: "Wir haben regelmäßig das Problem, daß Unternehmen uns angefragte Informationen nicht zur Verfügung stellen. In diesen Fällen ist aber dann immer die Frage, ob es tatsächlich unveröffentlichte Studien gibt und wie viele unveröffentlichte Studien es gibt." Daß es sich hierbei nicht allein um einen Verdacht handelt, deckte MONITOR am Beispiel des Medikaments Endronax des Pharma-Konzerns Pfizer auf. Bei Endronax handelt es sich um ein Antidepressivum mit dem Wirkstoff Reboxetin, das in den USA keine Zulassung erhielt. 2001 hatte die amerikanische Zulassungsbehörde FDA die Zulassung nicht erteilt, nachdem sie sich umfangreiche Patientendaten hatte vorlegen lassen. Das IQWiG hatte die Firma Pfizer gebeten, ihm alle vorhandenen Studien zur nennen. Doch die Liste, die Pfizer schickte, war unvollständig. Auch auf Nachfrage und erneute Bitte nach einer vollständigen Liste aller publizierten und unpublizierten Studien antwortete Pfizer, bereits sämtliche Unterlagen dem IQWiG übersendet zu haben und keine Veranlassung zu sehen, weitere Daten zur Verfügung zu stellen. Im Falle Reboxetin fanden WissenschaftlerInnen jedoch Spuren von Studien in Datenbanken und Archiven. Von Studien, die geheim gehalten werden, finden sich lediglich die Studiennummern und zugehörige Vermerke, daß Untersuchungen mit hunderten von PatientInnen durchgeführt worden waren. Hinweise liefern zudem Kurzzusammenfassungen von Kongressen, die ebenfalls auf Studien mit Hunderten von Patienten hindeuten. WissenschaftlerInnen erklärten gegegenüber MONITOR, daß mehr als die Hälfte der Patientendaten zu Reboxetin für sie nicht auswertbar waren. In der Wissenschaft ist lange bekannt, daß Studien, bei denen das Medikament am Patienten keine gute Wirkung zeigt, häufig nicht veröffentlicht werden. Der Schaden für das deutsche Gesundheitssystem ist nicht zu beziffern, aber es geht um einen Milliardenmarkt. Der Chef der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft, Professor Wolf-Dieter Ludwig, findet es deshalb unethisch, wenn Pharma-Konzerne Studien in Deutschland nicht zur Verfügung stellen. Die Pharma-Konzern Pfizer bestreitet, Studiendaten zurückgehalten zu haben. Edronax und sein Wirkstoff Reboxetin habe ein positives Nutzen-Risiko-Profil. Auf die Frage von MONITOR, warum es in den USA nicht zugelassen wurde, gab Pfizer jedoch keine Antwort. Im übrigen sieht sich Pfizer nicht verpflichtet, dem IQWiG alle verfügbaren Daten vorzulegen. Solange die WissenschaftlerInnen des IQWiG aber ein Medikament nicht als nutzlos einstufen, müssen es die Krankenkassen bezahlen. Der Leiter des IGWIQ, Professor Peter Sawicki sagt, bei vielen Pharmafirmen spüre man, daß es um viel Geld gehe: "Man spielt auf Zeit und vor allen Dingen in Deutschland. Denn in Deutschland sind alle Medikamente sofort nach der Zulassung durch die Zulassungsbehörden verordnungsfähig und zwar zu dem Preis, den der Hersteller sich ausdenkt, vorgibt. Und je länger man das unbeeinflusst läßt, je später wir entscheiden, umso mehr Umsatz." Dabei hatte der Verband der forschenden Arzneimittelhersteller erst jüngst in einem Positionspapier anderes versprochen. Von vollständiger Transparenz war die Rede, von lückenloser Dokumentation und Zugänglichkeit aller Studieninformationen. Wenn dies nicht eingehalten werde, so der Pharmaverband gegenüber MONITOR, handele es sich um "Sonderfälle", die der Verband nicht kontrollieren könne. IQWiG-Chef Sawicki meint dagegen, daß die Pharma-Industrie längst beweisen habe, daß die "Selbstverpflichtung nicht das erreicht, was sie vorgab zu erreichen." Er fordert daher verbindliche gesetzliche Regelungen zum Schutz der PatientInnen. Professor Klaus Lieb von der Universitätsklinik Mainz plädiert dafür, daß wissenschaftliche Institute unabhängig von der Pharma-Industrie Medikamente-Studien auswerten dürfen. Diese müßten dazu aber Zugang zu allen Studien erhalten, so daß die Ergebnisse letztlich der medizinischen Praxis und dem Wohl der PatientInnen zugute kämen. Und Professor Wolf-Dieter Ludwig von der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft ergänzt: "Ich glaube, man muß eindeutig über Bußgelder, Sanktionen nachdenken. Ich glaube, da müssen dann auch Bußgelder ausgesprochen werden, die eine für den pharmazeutischen Hersteller auch empfindliche Höhe erreichen, sodaß derartige Praktiken unterbleiben." Zuständig für solch eine gesetzliche Regelung wäre Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt. Auch sie wollte sich gegenüber MONITOR nicht zur Sache äußern. Schriftlich wich das Ministerium der Frage nach einer Gesetzesänderung aus und verwies auf ein künftiges europäisches Studienregister. Dem IQWiG hilft das nicht, weil zigtausende alter Studien dort nicht erfasst würden. Eine schlechte Nachricht für ÄrztInnen und für PatientInnen, die auf Medikamente angewiesen sind. Denn ohne gesetzliche Verpflichtung wird sich am Verhalten vieler Pharma-Konzerne wohl wenig ändern.
19.05.09
Bundeskanzler Kohl hatte nach der Übernahme der maroden DDR versprochen, im Osten in kürzester Zeit "blühende Landschaften" zu schaffen. Tatsächlich wurde abgewrackt, mit Hilfe der "Treuhand" verscherbelt, was noch verwertbar schien, und die "neuen Bundesländer" wurden von der wirtschaftlichen Entwicklung mehr und mehr abgekoppelt. Diese Entwicklung setzte sich unter "Rot-Grün" in den Jahren 1998 bis 2005 ungebrochen fort. Auch von der aus dem Osten stammenden Bundeskanzlerin Angela Merkel war nach 2005 unter "Schwarz-Rot" nichts besseres zu erwarten. Dies wird nun vom Armutbericht bestätigt, den der Paritätische Gesamtverband zusammen mit dem Statistische Bundesamt gestern (Montag) vorgelegt hat. Nach den vorliegenden Daten ist die Region Vorpommern Spitzenreiterin beim Armutsrisiko. 27 Prozent der BürgerInnen leben dort an oder unter der Armutsschwelle. Das ist nahezu vier mal soviel wie in einer propperen Region im Schwarzwald. "Das hat mit gleichwertigen Lebensverhältnissen nichts mehr zu tun," stellte denn auch Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes fest. Dennoch sei es ein Trugschluß, anzunehmen, daß die Menschen in den westlichen und südlichen Bundesländern weitestgehend von Armut verschont seien, betonte Schneider. Der Bundesregierung warf er vor, sie handle, als sei sie auf beiden Augen blind, was die Armut angehe. Das zweite Konjunktur-Paket habe keine "armutspolitische Komponente" enthalten. Die Abwrack-Prämie bezeichnete Schneider als "armutspolitisch kontraproduktiv". Am verarmten Teil der Bevölkerung gingen diese Maßnahmen vorbei. Auch die Investitionen gingen überwiegend in jene Regionen, in denen der Wohlstand am höchsten und die Armut am geringsten seien. So ist es nicht verwunderlich, wenn sich der Abstand mehr und mehr vergrößert. Vor einigen Jahren hieß es noch, der Abstand müsse verringert werden, ein "Aufholprozeß" der neuen Bundesländer müsse initiiert werden. Doch davon ist längst nichts mehr zu hören. Claus Noé, Finanzstaatssekretär unter Lafontaine erkannte bereits 2001 in der ersten Phase der "rot-grünen" Regierungära: "Es gibt keine Prognose und auch keinen ernsthaften Grund anzunehmen, daß sich bei Fortsetzung der gegenwärtigen Politik der Aufholprozeß wieder einstellen würde." (Frankfurter Rundschau, 12.02.01) Sowohl das Statistische Bundesamt als auch der Wohlfahrtsverband stuften in ihren Erhebungen jene Personen als arm ein, denen 2007 weniger als 60 Prozent eines bundesweit mittleren Einkommens zur Verfügung standen - das waren 764 Euro bei einem Single. Aus der Politik der vergangenen Jahrzehnte läßt sich ablesen, daß es nie das Ziel war, die zu beobachtende Entwicklung zu stoppen. Auch die nun bewilligten Milliarden-Pakete dienen lediglich dem Zweck, einen Zusammenbruch zu vermeiden. Anzunehmen, daß mit den Milliarden-Paketen die Weltwirtschaftskrise abgewendet werden könnte, wäre illusionär. Was in den kommenden Monaten und Jahren auf Deutschland und Europa zukommt, wird die mit diesem Bericht sichtbar gewordene Armut weit in den Schatten stellen.
17.05.09
Die Freiburger Montagsdemo nimmt am Wahlkampf zur nächsten Freiburger Gemeinderatswahl am 7. Juni 2009 aktiv teil!
Zum 25. Mai 09 haben wir Gemeinderats-KandidatInnen aller Parteien zu
uns auf den Freiburger Rathausplatz eingeladen. Wir wollen Sie dort
befragen, wie sie zu Hartz IV stehen, und was sie für die Hartz-IV-Betroffenen
künftig tun wollen. Wir laden alle Interessierten
und Betroffenen ein, kommt und bringt eure Fragen und Forderungen mit.
Prüfe deine Gemeinderatskandidat/Innen!
-- Die Montagsdemos finden jeden Montag um 17.30 Uhr statt,
27.04.09
Hierzu stellt der ehrenamtliche Berater der IG-Metall, Werner Altmann, fest: Dies ist falsch. Gegen den Willen eines Wohnungsbesitzers (Mieter sind auch Wohnungsbesitzer) darf die Wohnung nur mit Hilfe eines Durchsuchungsbeschlusses des zuständigen Gerichts betreten werden. Und einen solchen haben besagte Aussendienstmitarbeiter in der Regel nicht dabei. Erwirkt die ARGE einen Durchsuchungsbeschluss, ist die Polizei notwendigerweise mit dabei, da nur die Polizei das entsprechende Machtmonopol hat.
30.11.08
in der Badischen Zeitung vom Samstag war die Pressemitteilung der Montagsdemo verkürzt abgedruckt. Es freut uns natürlich, dass die BZ über uns berichtet. Die Kürzung unserer Pressemitteilung zeigt aber wie notwendig der Kampf um das „offene Mikrofon“ auf antifaschistischer, demokratischer Grundlage ist, um unzensiert unsere Interessen – die Interessen der einfachen Menschen – darzulegen. (Natürlich gibt es noch andere Mittel) Die bürgerlichen Medien jedenfalls haben kein Interesse grundlegende Kritik am kapitalistischen Gesellschaftssystem zuzulassen, auch wenn der eine oder andere fortschrittliche Redakteur dies gerne berichten würde. Ich habe dem Redakteur in der BZ einen freundlichen Hinweis geschickt, dass wir es besser gefunden hätten, wenn unsere Pressemitteilung ungekürzt abgedruckt worden wäre und ihn nochmals zu unserer Montagsdemo eingeladen.
Vorschläge - die wir bei der Montagsdemo beraten können - wären:
Im Anhang also der Artikel der BZ (war als Grafik-Datei im eMail-Anhang) und nochmals die komplette Pressemitteilung der Montagsdemo, damit jedeR sich ein eigenes Bild machen kann. Ansonsten hoffen wir wieder auf eine rege Beteiligung bei der nächsten Montagsdemo, wo wir unzensiert unsere Interessen - auf antifaschistischer, demokratischer Grundlage – in die Öffentlichkeit bringen. Wir wollen ja mehr als nur auf staatliche Einschränkungen reagieren.
Bis Montag, herzliche Grüße
Nochmals unsere Pressemitteilung:
Herzliche Grüße i. A. der Montagsdemo Freiburg Benne Schätzle (In der Montagsdemo Freiburg sind verschiedene Organisationen, Erwerbslose, Arbeiter, Angestellte, Jugendliche usw. aktiv - Montagsdemos gibt es bundesweit in ca. 100 Städten in Deutschland)
24.11.08.
bei der letzten Montagsdemo, 17.11.08, hat die Polizei eine viertel Stunde vor Schluß uns die Lautsprecheranlage – somit das offene Mikrofon – verboten. Sie haben angedroht bei Zuwiderhandlung die Lautsprecheranlage zu konfiszieren und am Ende auch Personalien aufgenommen. Als unmittelbaren Anlaß gaben sie Beschwerden aus der Nachbarschaft des KGII – Gebäudes, und begründet haben sie es mit der Auflage in der Anmeldebestätigung, daß eine Lautsprecheranlage nur ab 50 Beteiligten erlaubt wäre. Unser Argument, daß im Laufe des Abends über 50 Leute – wenn auch teilweise nur in kurzer Dauer – stehen blieben und zuhörten, sich informierten usw., wollten sie nicht gelten lassen. Auf die Frage, was dieser “belästigte” Anwohner mache, wenn bei 50 Leuten die Betätigung der Lautsprecheranlage rechtlich zulässig wäre, war die Antwort eines Polizisten, dann müßte dieser das eben hinnehmen! Als HINTERGRUND vermuten wir: Der Unmut in der Bevölkerung gegen die ganze Regierungs- und Kapitalistenpolitik nimmt zu, es gibt auch wieder verstärkt Zustimmung und Interesse an der Montagsdemo. Kritische Auseinandersetzungen und die Diskussion um gesellschaftliche Perspektiven – wie sie u.a. bei der Montagsdemo praktiziert werden - passen den Herrschenden natürlich nicht in ihr (schöngefärbtes) Bild. DESHALB: Rufen wir euch alle dazu auf zur nächsten Montagsdemo zu kommen, um den Betrieb unserer Anlage – und damit das offene Mikrofon – durchzusetzen. Wir sehen doch garnicht ein: Auf allen bürgerlichen Kanälen (Medien) dürfen bürgerliche Politiker, Manager, Unternehmerverbände usw. ihr Gejammere und ihre Interessen über die Gesellschaft ergiesen. Und wir sollen erst ab 50 Leuten eine Lautsprecheranlage betreiben dürfen, um mit den Menschen in Diskussion zu treten, um die Anliegen im Kampf gegen Sozialabbau, bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen usw. hervorzubringen und zur mitarbeit zu bewegen. Unsere nächste Montagsdemo, am 24.11.08, wäre regulär am Rathausplatz. Da aber bereits der Aufbau des Weihnachtsmarktes stattfindet, könnte auch der Ort: Bertoldstrasse Ecke Niemenstr. sein. Dies klären wir baldmöglichst und geben dann gleich bescheid. Ich hoffe wir haben EURE SOLIDARITÄT und UNTERSTÜTZUNG für eine Sache, die letztlich auch in eurem Interesse liegen wird. Wir freuen uns auf eine rege Teilnahme an der nächsten Montagsdemo, könnt natürlich auch gerne diese Mail weiterleiten bzw. selber dafür mobilisieren. Danke! Gemeinsam sind wir stark! Herzliche Grüße i. A. der Montagsdemo Benne Schätzle
Diskussion
Klaus (19.08.08)
Der hier direkt folgend wiedergegebene Diskussionsbeitrag von Benne beantwortet
keine einzige der von mir (siehe mein Diskussionsbeitrag vom 12.07.08) aufgeworfenen
Fragen, geschweige denn, daß er auf die Argumente eingeht...
14.08.08
Gemeinsamer Kampf von Erwerbslosen und Arbeiter und Angestellten: Es ist für beide Gruppen wichtig - für Erwerbslose mit ALGII und Lohnabhängige mit ergänzend ALGII - den sofortigen Hungerzuschlag (von 50 Euro) zu erkämpfen - das bringt auch die Einheit zum Ausdruck. Dann muss dies zusammen kommen mit einer Bewegung in den Betrieben für die Aufstellung und Durchsetzung von Forderungen nach einem Teuerungszuschlag (Lohnzuschlag). Hartz IV beinhaltet mehr als das ALG II und geringer Mietzuschlag: Schon vor Beginn der Montagsdemos wurde die Entwicklungsrichtung von Hartz IV kritisiert:
a.. Absenkung des Arbeitslosengeldes nach 1 Jahr (in der regel) auf weniger als Sozialhilfeniveau
Hier noch 2 Beiträge auf verschiedenen Montagsdemos gehalten: "... Es geht hier um die Forderung für einen "Hungerzuschlag von 50 Euro - sofort", die Forderung "Hart IV muß weg" bleibt, weil das viel mehr als den mickrigen Hartz IV- Betrag (351 Euro bei einem Erwachsenen, bei einer Familie ist es pro Person noch weniger) beinhaltet. Ich halte dies zwischenzeitlich für eine existenzielle Frage und schärft den Blick für die Unmenschlichkeit von Hartz IV, wo es doch immer heißt in diesem Land müsse niemand Hungern. ..." "... Der Kampf gegen die steigenden Energiepreise muss deshalb auf Kosten der Profite der Energiemonopole und gegen die Preistreiberei durch Konzerne und Staat geführt werden. Notwendig ist ein Hungerzuschlag von 50 Euro als Sofortmaßnahme für ALG-II-Bezieher und Niedrigstverdiener sowie der Kampf gegen das gesamte Hartz-IV-Gesetz. Das muss zusammen kommen mit einer Bewegung in den Betrieben für die Aufstellung und Durchsetzung von Forderungen nach einem Teuerungszuschlag. ..."
12.07.08
Zuerst nochmals für alle, die sich erst jetzt mit dem Thema beschäftigen: Ich bin klipp und klar gegen eine solche Forderung. Es gibt jede Menge hübscher und sympathischer Forderungen, die auf den ersten Blick sinnvoll erscheinen - beispielsweise Sozialtarife beim Strom! - , die aber unpolitisch sind und eine verheerende Wirkung haben können! Bevor ich meine Argumente darlege und auf die bereits vorgebrachten Argumente anderer eingehe, hier zunächst meine Meinung zum bisherigen Umgang mit der Forderung "50 Euro Hungerzuschlag monatlich". Vor der Delegierten-Konferenz am 19. April in Kassel wurde diese Forderung nicht in Freiburg diskutiert. So konnten unsere beiden Delegierten kein Votum mit nach Kassel nehmen. Ich bin sicher, daß dies nicht nur bei der Freiburger Montags-Demo so war. Es spricht nichts dagegen, wenn auf einer bundesweiten Versammlung wie in Kassel spontan Vorschläge für aktuelle politische Forderungen gemacht werden. Diese sollten dann aber zuerst an die Basis (überall!) getragen und dort diskutiert werden. Meinem Verständnis von Basisdemokratie entspricht es nicht, wenn auf einer Delegierten-Versammung über ein Thema entschieden wird, das nicht zuvor an der Basis - also in den Montags-Demos! - diskutiert wurde und zu welchem den Delegierten ein Votum mitgegeben werden konnte. Nebenbei bemerkt: Ich (und NETZWERK REGENBOGEN ebenso) bin für ein imperatives Mandat. Wenn nun manche flugs damit argumentieren, die Basis der "bundesweiten Montagsdemo" sei doch die Versammlung in Kassel gewesen und dort sei die Forderung schließlich diskutiert worden, finde ich das gelinde gesagt merkwürdig. Das weckt bei mir nicht gerade Vertrauen in das "marxistisch-leninistische" Demokratie-Verständnis einiger VertreterInnen der 50-Euro-Forderung. Nun zu meinen Argumenten: Selbstverständlich hätte ich nichts dagegen, 50 Euro mehr im Monat zu bekommen. 50 Euro mehr wären besser als nichts! Nur: Bekanntlich sind politische Forderungen etwas anderes als die Wunschliste an den Weihnachtsmann - und nicht jede politische Forderung wird umgehend erfüllt. (Solche grundlegenden Erkenntnisse müssen offenbar immer wieder ins Gedächtnis gerufen werden.) Nun hat beispielsweise der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband bereits vor zwei Jahren eine Erhöhung des Regelsatzes um 20 Prozent gefordert. Das waren - damals! - rund 90 Euro. Auch das ist zuwenig. Rechnen wir zum ALG-II-Satz von inzwischen 351 Euro den je nach Region recht unterschiedlichen Mietkostenzuschuß hinzu, bliebe dieser Betrag, aufgestockt um 90 Euro, immer noch erheblich unter der Pfändungsfreigrenze von 900 Euro monatlich! Und dies liegt noch beträchtlich unter dem Niveau, das selbst von der EU als Armutsgrenze definiert wird!
Mir hat in der Diskussion am vergangenen Montag niemand erklären können, warum wir uns nun plötzlich mit einer Forderung von 50 Euro Zuschlag monatlich bescheiden sollen.
Schon diese Fragen (und daß sie bislang niemand beantworten konnte) zeigen mir, daß hier völlig unpolitisch vorgegangen wurde. Wenn schon eine Forderung nach einer Erhöhung der ALG-II-Regelsatzes erhoben werden müßte, sollte diese doch wenigstens rational begründbar sein. So zum Beispiel, daß es sich wenigstens um einen Ausgleich für die Inflationsverluste seit der Einführung am 1. Januar 2005 handeln müßte. Da müßten dann die Preissteigerungsraten der vergangenen dreieinhalb Jahre zusammengerechnet werden, wobei die Preissteigerungsrate allein in diesem Jahr schon nach offizieller Statistik über 3 Prozent liegt. Und wenn wir einen für die unteren Schichten realistischen Warenkorb zur Berechnung der Preissteigerung in 2008 zugrunde legen, kommen wir bereits auf über 10 Prozent. Sinnvoller wäre es stattdessen, von den realen Bedürfnissen auszugehen, statt auf der antisozialen Basis des 2005 eingeführten Satzes von 345 Euro herumzurechnen. Dazu gäbe es beispielsweise die regelmäßig aktualisierten Preiserhebungen des Statistischen Bundesamtes, auf die gestützt sich eine Zusammenstellung realistischer Bedarfssätze - Lebensmittel pro Erwachsene pro Monat, Lebensmittel pro Jugendliche pro Monat, Lebensmittel pro Kleinkind pro Monat, Kosten für öffentliche Nahverkehrsmittel pro Monat, Kosten für Schulsachen pro Monat, durchschnittliche Kosten für Zeitungsabonnement u.s.w. - ermitteln ließe. Das findet sich alles im Internet! Das zusammengerechnet ergäbe sicherlich einen monatlichen Betrag über der Pfändungsfreigrenze von 900 Euro! Ebenfalls vor der Aufstellung einer Forderung über x Euro mehr im Monat, müßte dann mit möglichen BündnispartnerInnen geredet werden, um sich vor deren Veröffentlichung auf eine gemeinsame Forderung zu einigen! Aus meiner Sicht wäre da an erster Stelle mal mit den Gewerkschaften zu reden! Aber ich habe manchmal den Eindruck, viele sind inzwischen so unpolitisch, daß sie sich überhaupt keine Gedanken mehr darüber machen, wie denn eine Forderung real auch durchgesetzt werden könnte. Dazu gehört allerdings auch, daß eine Forderung im Kontext der bislang erhobenen Forderungen glaubwürdig und konsistent sein muß. Hier komme ich nun auf den Punkt: Wie paßt diese Forderung denn überhaupt zu unserer (bisherigen?) Forderung "Weg mit Hartz IV"? Die Forderung "50 Euro Hungerzuschlag monatlich" zusammen mit der Forderung "Weg mit Hartz IV" macht eigentlich nur einen Sinn, wenn damit (uneingestanden) verknüpft wird: "Weg mit Hartz IV" ist keine tagespolitische Forderung mehr, sondern rückt in den Bereich "Utopie". Das müßte dann aber auch ehrlich dazu gesagt werden. Beides gleichrangig nebeneinander wirkt inkonsistent und daher unglaubwürdig! Welche Argumente gibt es, "Weg mit Hartz IV" nicht mehr als tagespolitische Forderung aufrecht zu erhalten? Daß wir dem in nunmehr dreieinhalb Jahren kein Stückchen näher gekommen sind? Das wäre aus meiner Sicht kein stichhaltiges Argument. Aber das wäre nun eine Diskussion, die ich hier nicht beginnen will, da noch niemand offen gesagt hat, wir könnten nicht an "Weg mit Hartz IV" festhalten...
Ich bin nicht grundsätzlich gegen Reformismus. Wenn es rationale Gründe gibt, kleinere Schritte zuerst zu machen, weil diese - auf Grund einer nachvollziehbaren Analyse! - leichter zu realisieren wären, bin ich sofort dafür. Der Haken am Reformismus ist meist nur: "Reformistische" Forderungen weisen oft entgegen dem ersten Anschein in die negative statt in die positive Richtung (der "Atomausstieg" ist ein Musterbeispiel).
Bei der Forderung "50 Euro Hungerzuschlag monatlich" sehe ich jedoch keine Chance auf Realisierung und daher wird es schon am "ersten Schritt" hapern. Im Gegenteil: Ich sehe die große Gefahr, daß ein solches Vorgehen entmutigt und die eh schon verbreitete Depression und Niedergeschlagenheit verstärkt, wenn es bis Ende dieses Jahres nicht mal eine Erhöhung um 5 Euro geben wird.
Nun zu einigen Argumenten anderer:
Der springende Punkt ist aus meiner Sicht: Wie stehen wir zu unserer Forderung "Weg mit Hartz IV!"
Eine Analyse, warum wir bisher mit der Forderung "Weg mit Hartz IV!" keinen Erfolg hatte und warum diese nun zurückzustellen sei, fehlt aber bislang. Und, falls eine Analyse tatsächlich zu einem negativen Ergebnis kommt: Welche Argumente gibt es dafür, daß eine Forderung "50 Euro Hungerzuschlag monatlich" erfolgversprechend wäre.
Nun noch zum Argument oder zur Aussage mit der Feuerwehr. Es ist nun wirklich witzig, daß vergangenen Montag ein und derselbe Teilnehmer der Montags-Demo auf der einen Seite die Ansicht am Mikro vertrat, wir lebten in einer Diktatur und wenige Minuten später auf der anderen Seite erklärte:
8.07.08
Als ich vor knapp vier Jahren zur Montagsdemo stieß, wurde regelmäßig ein Lied gespielt in dem folgender Text "....wir wollen keine Nachbesserung, Hartz-IV muss weg...." vorkam. Mit dieser radikalen Forderung hatte sich die Montagsdemo bewusst von den Gruppen distanziert, welche Hartz-IV reformieren und letztendlich akzeptieren wollten. Dieses Lied wurde auch noch längere Zeit nach der ersten Spaltung (Hartz-IV-Gegner / Hartz-IV-Reformer) regelmäßig gespielt. Nach der Anfertigung unseres Transparent "Freiburger Montagsdemo gegen Sozialabbau" und nach der Abwahl der Rot-Grünen Regierung vestummte dieses Lied mehr und mehr. Leider habe ich es schon sehr lange nicht mehr auf der Montagsdemo gehört. Kennt Ihr es noch? - Steht Ihr noch zu seinem Inhalt? - Oder fahrt Ihr nun im Zug des Populismus den Hartz-IV-Reformern hinterher? Was mich betrifft: Ich bin, nach wie vor, für die ABSCHAFFUNG von Hartz-IV und der Agenda 2010! Nicht für Reform, oder Entschärfung der Hartz-IV-Auswirkungen. - Sollte sich die Freiburger-Montagsdemo nun entschließen sich nicht mehr für die Hartz-IV-ABSCHAFFUNG, sondern für die Entschärfung der Hartz-IV-Auswirkungen einsetzen zu wollen, sehe ich mich gezwungen mir ein anderes Forum für meine Anliegen zu suchen.
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